PRIDE 2010

Seit 1997 findet in São Paulo die Gay Parade statt – anfangs mit ca. 2000 Menschen, mittlerweile sind es 3,5 Mio und damit ist die Parade wohl die Größte der Welt. Ein ordentliches Kontrastprogramm zu der Business-Geschäftstätigkeit, die normalerweise auf der Avenida Paulista zwischen den Bankentürmen stattfindet. Und ähnlich wie in Köln, bricht auch hier bei den feieraffinen Brasilianern das zweite Mal im Jahr der Karneval aus 🙂 pe

FUTEBOL

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Wird hier „Futschibolli“ ausgesprochen 🙂 Und schießt einer ein Tor, singt der Kommentator Gooooooooooooooooollllllllllllll – das hört sich etwa so an, wie Michael Buffer beim Boxen. Gut so, denn so bekommt man auch trotz der Vuvuzelas mit, wenn was wichtiges passiert ist!

Gestern haben wir viel Gol gehört – 4:0 hat warscheinlich keiner getippt oder erwartet, oder? Selbst der Brasilianer hat der Leistung des deutschen Teams Respekt gezollt. Das sollen die auch erstmal besser machen – morgen um 15.30h, wenn hier angeblich außer Futebol nichts mehr geht. Wir werden sehen und berichten! pe

CHICO BUARQUE

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… einer der Günder des musikalischen Tropicalismo in Brasilien, einer Bewegung, die während des Militärregims in den 60er Jahren entstanden ist und moderne Strömungen in die musikalische und künstlerische Entwicklung des Landes eingebracht hat. Ganz nach dem antropophagischen Manifest von Oswaldo Andrade: Das Fremde nicht abweisen, sondern auffressen! 🙂 Wow, harter Tobak, oder?

Brasilien hatte in den 60ern der unabdinglichen Wunsch, zumindest künstlerisch unabhängig und frei zu werden. Die Künstler haben nach einer – nach augenscheinliche Gesichtspunkten harmlosen verbalen Ausdrucksform gesucht – und dabei höchst kreative Wortschöpfungen gefunden, um den eigentlichen systemkritischen Wortinhalt zu tarnen und dennoch zu transportieren. In der Musik sind die beiden herausragenden Künstler Gilberto Gil und Chico Buarque – beide sind des Landes verwiesen worden und haben ihr Exil in England gefunden.

Nichtsdestrotz trotz findet man in ihren Lyrics sehr viel regim- oder sozialkritischen Ausdruck. Oder gerade deswegen? Ein Lied möchte ich euch hier vorstellen: Construção von Chico Buarque – ’71 entstanden. Hier geht es in erster Linie nicht um Regimkritik, sondern um Sozialkritik, den Selbstmord eines Arbeiters, der sich von einem Gerüst stürzt und an einem normalen Samstag den Verkehr auf der Straße durcheinander bringt – durch sein Ableben auf der Hauptverkehrsader.

Dieser Text ist besonders, denn Chico Buarque verwendet immer die gleichen Worte, um neue Inhalte in den folgenden Textzeilen zu transportieren. Sehr lyrisch – sehr dramatisch – sehr schön! Hier ein Video zum Lied mit der englischen Übersetzung, was das Verständnis etwas leichter macht:

>>> construção

folgt einfach den Text- bzw. Rhythmuszeilen, dann ist es ganz einfach! pe

FUTEBOL II

Auto

Die Brasilianer sind weiter, die Deutschen auch … alles gut in Fußballien. Tatsächlich ist es hier so, dass wenn Brasilien spielt, die Straßen leer und die Botecas voll sind. Die Geschäfte, selbst Banken haben geschlossen, Taxifahrer bleiben an ihren Halteplätzen, die meist einen eingebauten Fernseher haben und wenn man was will, sollte man besser bis zur Halbzeit abwarten.

Diesen Zustand haben wir ausgenutzt, um am Sonntag während des Brasilienspiels von der Küste nach Hause zu fahren. Natürlich begleitet vom Kopfschütteln des Brasilianers, der so etwas niemals tun würde. Normalerweise bedeutet eine Rückfahrt vom Meer sonntagnachmittags 4 Stunden Stau, weil ja alle gleichzeitig wieder nach São Paulo wollen. Am Sonntag haben wir das jedoch in schlanken 2 Stunden geschafft – in der ganz regulären Zeit.

Dafür gabs das Spiel dann im Autoradio. Drei Sprecher haben sich den Kommentar geteilt – das ist auch angebracht, wenn man hört, wie schnell die Jungs reden können. Bemerkenswert. Reden und Luftholen erfolgt da in etwa zur selben Zeit. Leider ist der erste Gol-Schrei nicht drauf – ich glaube das waren 30 Sekunden. Mindestens 🙂 Hier eine Kostprobe! pe

FUTEBOL-LANCHONETE

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Diesmal haben wir uns das Basilienspiel ordnungsgemäß in einer Lanchonete hier umme Ecke angesehen. Lanchonete heißt Imbiss und dort gibt es das, was der gemeine Brasilianer tagsüber zum Überleben braucht:

Salgados, also kleine salzige und fettige Gebäckdinger. Doces – Süßigkeiten, die ab 10 Uhr morgens benötigt werden um bis Mittag auszuhalten. Den mittaglichen Imbiss, bestehend aus Arroz, Feijão und Carne – Reis, Bohnen und Fleisch – das übrigens montags bis donnerstags – freitags Fisch!

Das Ganze wird morgens begleitet von Café Sinho – einem kleinen gesüßten schwarzen Kaffe und mittags auch gerne schon von Cerveja. Nach dem Mittagessen unbedingt noch’n Café und ein Doce de Leite für aufn Weg, das ist eine kleine süße Kugel aus Kondensmilch – Jo ist ganz verrückt danach – und das wars im Großen und Ganzen bis abends.

In den einfachen Lanchonetes trifft sich alles – vom Papiersammler bis zum Angestellten, also einer der Orte, an dem alle Hautschattierungen vertreten sind. Und an Tagen wie heute, Brasilien-Portugal, 11Uhr fängt das mit dem Cervejatrinken auch schon etwas früher an – Jo glaubt, die schaffen das, danach noch zu arbeiten – ich habe da meine Zweifel. Lustig wars. Die Kommentare habe wir nicht verstanden – auch wenn sie bis zum Tinitus durch den Laden gebrüllt wurden. 🙂 pe