SÃO PAULO RELOADED

bairro

So langsam kommen wir runter. Der Umzug ist geschafft, unsere Sachen haben zum größten Teil ihren neuen Platz gefunden und nun beginnen wir, uns neu einzuleben.

Wir wohnen jetzt in Pinheiros (auf der rechten Seite in der Linkliste findet ihr einen Link zu Google Maps). Dieses Bairro hatten wir schon vor langer Zeit als unser Liebstes gekürt, denn hier vermischt sich Neues und Altes São Paulo auf wunderbare Weise: Es gibt noch die kleinen Stadthäuschen neben den hohen Wohntürmen. Es gibt noch kleine schimmelige Läden neben exklusiven Ladenlokalen. Gastronomisch geht auch fast  alles und sozial ein Nebeneinander verschiedener Schichten – wobei es keine Favelas mehr gibt (soweit ich weiß).

Wir sind nun urbaner unterwegs (geht das überhaupt in São Paulo – noch urbaner???) und haben beide festgestellt, dass es genau das ist, was wir leben wollen. Das Haus war toll, aber rückblickend nicht unser Lebensstil – das haben wir in der ersten Woche hier gemerkt. Das liegt sicherlich am schönen Appartment, mit dem wir wirklich großes Glück gehabt haben – oder sollte ich sagen: die Belohnung für unsere große Anstrengung und das viele Pech im Januar? 😉

Wir haben beide das Gefühl von „São Paulo reloaded“. Es scheint, eine große Last ist abgefallen (nicht nur finanziell) und das Lebensgefühl ist leichter, unkomplizierter und freier. Vielleicht hat sich im Haus in den letzten anderthalb Jahren eine schlechte Energie angesammelt – vielleicht war dort durch den harten Anfang in São Paulo irgendwann alles nur noch geprägt von Komplikation, Stress, Verlust? Oder wars einfach nur zu feucht? Keine Ahnung, aber irgend so etwas wirds wohl sein.

Als dann, schaun wir mal, was nun kommt. Anbei ein kleiner Film von unserem Umzug und der neuen Wohnung (allerdings ohne wüste 60er Parties – Thorsten 🙂 pe

 

GUTE AUSSICHT

Ziemlich praktisch – so ein Leben im elften Stock. Denn neben der guten Aussicht läßt sich zudem schnell feststellen, ob zum Beispiel die Mitnahme eines Regenschirms sinnvoll wäre, oder, ob das Vorhaben, das Haus zu verlassen, getrost vergessen werden kann. Das schützt vor unangenehmen Überraschungen (siehe Artikel Chuva), die wir parterre des Öfteren erlebt haben.

Abgesehen davon ist es einfach klasse, den Himmel kurz vor einem Gewitter zu sehen. Oder einen Sonnenuntergang, nachdem es geregnet hat. Oder das rosa Morgenlicht an den Wohntürmen. Oder. Oder. Siehe unten. pe

BIXIGA

Ich sach nur: Sfogliatelle! Nein, das ist nicht schon wieder ein indigenes Kunstwort – diesmal hat es romanischen Ursprung und bezeichnet ein gefülltes und in Falten gelegtes italienisches Hefegebäck. Wir hatten den ersten Kontakt mit diesem Gebäck“dings“ durch die Fernsehserie „Sopranos“ und als Jo eines Tages mit einem Schächtelchen Sfogliatelle ankam, war die Freude riesig! KleinItalien am Gaumen klebend, daraufhin KleinItalien in Gedanken und ein paar Tage später in Echt in São Paulo – im Bairro Bixiga (gehört zu BelaVista).

Den Ruf, das Little Italy von São Paulo zu sein hat Bixiga, weil Ende des 19ten Jhds verstärkt europäische Einwanderer nach Brasilien strömten, die angeheuert wurden, um auf den Kaffeeplantagen zu arbeiten. So eben auch die Italiener. Viele der italienischen Einwanderer haben sich in der Nähe der Gutshäuser der Kaffeebarone niedergelassen, deren Überbleibsel (teils renoviert, teils Ruine) man übrigens heute noch auf der Avenida Paulista, der Bankenmeile Südamerikas, sehen kann. Naja und die fuzzeligen Reste der Einwandererzeit sind eben deutlich in Bixiga zu spüren – etwa 10 Gehminuten von der Paulista entfernt.

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Dass dieses Viertel nur von italienischen Einwanderern geprägt wurde, ist übrigens eine nette Geschichte – stimmt aber nicht ganz. Tatsächlich versuchten dort auch Portugiesen und Afrikaner einen Neuanfang. Die Afrikaner haben zum Beispiel die erste Karnevalsgesellschaft São Paulos gegründet – die Sambaschule VAI VAI – heute gehört sie zu den Topfavoriten und in die erste Liga der Karnevalsvereine.

Hier der >>> Link zum aktuellen Karnevalssong des Vereins! Falls ihr euch über die klassischen Elemente am Anfang wundert – das diesjährige Motto ist die tragische Lebensgeschichte des brasilianischen Pianisten und Dirigenten João Carlos Martins.

Optisch hat sich in den Straßen rund um die Rua 13 de Maio gar nicht so viel getan – sieht immer noch ziemlich rustikal, ursprünglich und irgendwie italienisch aus. Unterstützt wird der Eindruck durch die vielen italienischen Restaurants und Lädchen, die sich dort aufreihen und die der Grund für die wahren Besucherströme an 5 Wochenenden im Juli/August sind – wenn das Fest „Festa de Nossa Senhora de Achiropita“, stattfindet und auf den Straßen die ganzen fiesen italienischen Kleinigkeiten probiert werden können. Wir hatten neulich – und das meine ich ernst – die besten Ravioli ever in einem der Restaurants!

Verstärkt wird das italienische Gefühl durch die vielen älteren Herrschaften, die sich auf dem nahegelegen Antikmarkt, der jeden Sonntag stattfindet, herumtreiben oder es sich in den Cafés und an der Straße auf schäbigen Plastikstühlen bequem gemacht haben, die Straße „abnehmen“, zusehen, wer da so flaniert, alles kommentieren … und vielleicht gerade Sfogliatelle verspeisen … das würde mir natürlich gut gefallen 🙂 pe