SÃO PAULO – SALVADOR

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Mit dem Flugzeug braucht man für diese Strecke 2 1/2  Stunden, wir aber dachten: „Nein, das muß mi’m Auto herrlich sein“ und so haben wir beschlossen, den Juli über ganz gemütlich die Küste hoch nach Salvador de Bahia zu fahren und dann Ratz Fatz in zwei/drei Tagen durchs Inland wieder zurück. Insgesamt waren das zum Schluss mehr als 5000 km auf unserem KM-Zähler, verglichen mit Europa etwa die Strecke Köln-Lissabon-Köln. Die Reise war toll und es gibt einiges zu erzählen, wenn die vielen Fotos mal auseinander- und wieder zusammengepuzzelt sind. pe

Hier schon mal die Route auf Maps >>> Route

BALEIAS

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Zwischen Juli und Oktober versammeln sich jedes Jahr Buckelwale aus der Antarktis in den warmen und flachen Gewässern vor Bahia, um sich fortzupflanzen. Dazu bilden sie kleine Gruppen, meist mit mehreren Männchen und Weibchen, um es dann lustig munter und querbeet zu treiben damit sichergestellt ist, dass 12 Monate später – übrigens an gleicher Stelle – Junge zur Welt kommen.

Der Bahianer ist da mächtig stolz drauf und behauptet, dass alle Buckelwale Brasilianer seien! Und natürlich kann man sich das Schauspiel vom Boot aus anschauen – fast alle Orte an der Küste bieten in dieser Zeit „whale-watching“ an und wir haben das von Cumuruxatiba aus getan.

 

Dazu geht es auf ein kleines Boot und dann ca. 2 Stunden aufs offene Meer hinaus. Die Guides an Bord halten derweil Ausschau – die Passagiere auch – und ich weiß nicht genau, wie viele Tonnen im Wasser vermeintliche Wale waren, bis dann tatsächlich am Horizont die schwarzen Buckel auftauchten.

Sofort beginnt die Verfolgung der Tiere und das ist ganz schön spannend, denn der Wal bleibt etwa 1 Minute unter Wasser, bevor er kurz auftaucht, Luft holt und dann wieder verschwindet. Als Bootsführer muß man schon Ahnung haben, um dann die weitere Schwimmrichtung vorauszusehen und den Tieren nicht zu Nahe zu kommen – 50m Abstand ist Pflicht.

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Entsprechend die Stimmung an Bord, denn alle Passagiere sind aufgeregt, haben die Kameras im Anschlag und starren aufs Wasser, bis dann irgendwer brüllt: „Baleia links, rechts oder vorne!“ und die ganze Bagage gleichzeitig versucht, den richtigen Moment für ein Foto zu erhaschen, was fast unmöglich ist, da alles so schnell geht und es natürlich auf dem Boot ziemlich wackelig ist. Ein großer Spaß und ich habe ca. 20 Fotos mit nichts als Wasser aussortiert.

Etwa eine halbe Stunde dauert die Verfolgung und man versicherte uns, dass es den Tieren nichts ausmacht und es sie auch nicht in ihrem Paarungsverhalten stört.  Angeblich sollen die Wale sogar neugierig sein und sich von selbst den Booten nähern: „Showtime Schatz, da sind die Bekloppten wieder“! 😉 pe

CARAVELAS

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Im Jahr 1581 von Portugiesen gegründet, lange Zeit Zentrum der bahianischen Walfangindustrie, mittlerweile wichtig für den Eukalyptustransport aufgrund des Frachthafens und vor allem Ausgangspunkt für geführte Touren zur 70km entfernten Inselgruppe Abrolhos und zum „whale watching“ vor der Küste.

Grund genug, da mal hin zu fahren und eine Bootstour zu buchen, oder? Wenn da nicht der Ort selber wäre, der nicht wirklich interessant und innerhalb der Woche wie ausgestorben ist. So fanden auch nicht täglich Bootstouren statt und wir wurden auf „bis auf weiteres“ vertröstet und direkt wieder aus dem Ort hinaus komplimentiert zu einem etwa 15km entfernten Strand, an dem sich die angeblich einzig brauchbare und angenehme Pousada in Caravelas befindet.

Die Bootstour tags drauf wurde abgesagt und so blieben wir auch nur eine Nacht – alles eigentlich nicht sonderlich bemerkenswert, wenn da nicht abends das rosa Licht und eine beinahe magische Stille gewesen wäre. pe

ITAÚNAS

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Dünen in Brasilien? Das ist eher selten – also nichts wie hin, haben wir gedacht, und das kleine Fischerdorf Itaúnas im Grenzgebiet Espirito Santo/Bahia besucht. Der Weg dorthin führt über unasphaltierte Piste und das ist auch gut so, denn so ist das kleine Dorf vom herkömmlichen Pauschaltourismus noch nicht überrollt worden – demzufolge scheint das Leben dort ziemlich ursprünglich.

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Auf dem zentralen Platz gibt es die obligatorische Kirche, nebendran die Schule mit Fußballplatz, drumherum ein paar Bars und Autowerkstätten, in denen Motoradmotoren auf ihre maximale Drehzahl getestet werden. Hüben gackern ein paar pubertierede Mädchen, drüben balgen sich die auserkorenen Jungs, ab und an überquert ein Pferd den Platz, gefolgt von einem Rudel streundener Hunde, die bei den Bars einen Stopp einlegen um nach Essensresten zu fahnden und irgendwo kräht immer ein Hahn. Also alles easy in Itaúnas, außer im Sommer, wenn der gemeine Forró-Liebhaber den Ort überrollt, die Nacht zum Tag macht und bis in die Morgenstunden tanzt.

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Die Düne! Tolles Ding und bis zu 30m hoch, die natürlich überquert werden wollen, um auf der anderen Seite wieder ans Meer zu gelangen. Auf dem Weg hinunter darf man sich dann entscheiden, welche Strandbar es werden soll, da lange Holzplanken über den Sand bis direkt an die jeweilige Theke führen. Und wenn man es nicht so recht entscheiden mag, da jede Bar von weitem gleich aussieht, hilft ein Bar-Anpreiser und Speisekarten-Zeiger, der schon oben auf der Düne auf potenzielle Gäste wartet. Angeblich soll man in der Düne Reste des alten Fischerdorfs Itaúnas entdecken, das vom Sand verschüttet wurde, aber wir sahen nur ein paar olle Steine – nicht wirklich bemerkenswert.

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Dafür war das die Pousada, wohl die Schönste auf der ganzen Reise und komplett aus Holzbalken und Ästen gezimmert.  Für die Konstruktion benutzt man dicke Balken und für die Wände geflochtene Astmatten, die mit Lehm oder Mörtel (keine Ahnung), abgedichtet werden. Zum Schluß wirds hübsch bemalt und fertig ist das Haus. Diese Art des Hausbaus konnten wir auf der gesamten Reise häufig sehen – fast alle einfachen Hütten sind so konstruiert. Ist ja letzlich nicht viel anders als das deutsche Fachwerk, oder?

Ich glaube, außerhalb der Saison, also im brasiliansichen Winter, ist Itaúnas der perfekte Ort, wenn man Ruhe und Entspannung sucht. pe

DEUTSCH GEDACHT

Sonntagmorgen, 8 Uhr, am 24ten Juli auf der BR 116 auf dem Weg nach Belo Horizonte, mit dem Gedanken, extra früh in Salvador aufzubrechen weil dann noch nicht so viel auf der Straße los ist und man gut voran kommt. pe

WERS GLAUBT …

Religion in Brasilien – ein weites Feld und ich fühle mich kaum in der Lage, das alles auseinander zu puzzeln, geschweige denn, fundiert zu erklären. Dennoch ist das Thema Religion oder Spiritualität hier allgegenwärtig und auf unserer Reise gab es viele Momente, in denen wir Glaube, Aberglaube oder Mystik begegnet sind. Als dann, versuche ich es mal …

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KATHOLIZISMUS

Zuerst erstaunt die große Anzahl von barocken Kirchen, die vor allem in Salavdor und Ouro Preto das Stadttbild prägen. Zu verdanken hat das der Brasilianer dem Portugiesen, denn er war es, der den Katholizismus im 16. Jhd. im Zuge der Kolonialisierung Brasiliens mitgebracht hat und natürlich Gotteshäuser zur Ausübung der Religion brauchte.

Äußerst praktisch war in dem Zusammenhang, dass Ende des 17. Jhds. im heutigen Bundesland Minas Gerais Gold gefunden wurde und man nun in der Lage war, es a) im großen Stile abzubauen, wozu afrikanische Sklaven ins Land entführt wurden, die dann zu Tausenden in den Minen verschlissen wurden und b) die Gotteshäuser als prächtig als möglich mit Gold auszustatten. Goldüberzogene Hochaltäre, Säulen, Putten, Bildchen und Gedöns – herrlich, wenn man Spaß an Prunk hat. Daher zu empfehlen: Die Igreja de São Francisco in Salvadors Altstadt, die in diesem Sinne das goldigste ist, was ich bisher gesehen habe.

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CANDOMBLÉ

Durch die Einfuhr der Sklaven vermasselte man sich allerdings das Monopol des Katholizismus, denn sie brachten ihre eigenen Gottheiten, genannt Orixas, mit. Das sah der Portugiese gar nicht gerne und verbot die pure Ausübung der afrikanischen Religionen, tolerierte es aber, wenn sie sich eines kleinen Tricks bedienten, nämlich der Tarnung unter dem Deckmantel des katholischen Glaubens. So ist z.B. Oxalá, Sohn der höchsten Gottheit Olorún, der die Schöpfungsenergie verkörpert, gleichgesetzt mit Jesus, Iemanjá, die Meeresgöttin, mit der Jungfrau Maria.

Diese Mischung existiert bis heute unter dem Namen Afro-Brasilianische Religion und die wichtigste ist wohl der Candomblé, der noch bis in die 70er Jahre des 20. Jhds. in Brasilien verboten war. Wir waren daher kaum verwundert, als man in einer katholischen Kirche in Salvador um Besucher für eine Candomblé-Zeremonie warb. Wir haben es uns auch angeschaut – 4 Stunden hat das Ritual gedauert – mit Trommeln, Tänzen, Trance, wunderbaren Kostümen. Sehr interessant und empfehlenswert. Hier ein kurzer Film

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IGREJA DO BONFIM

Ein besonderer Fall des afro-brasiliansichen Glaubens ist die Franziskanerkirche Igreja do Bonfim, im Candomblé Oxala gewidmet, im Katholizismus Christus. Bonfim bedeutet gutes Ende. Es ist das wichtigste Gotteshaus Salvadors und selbst Papst Johannes Paul II hat es 1997 besucht. Jedes Jahr im Januar werden bei einem Ritual die Stufen hoch zur Kirche von weißgekleideten Frauen gereinigt, um für erfahrene Gnade zu danken oder um Hilfe zu bitten.IMG_6701

Vor der Kirche werden bunte Stoffarmbänder, die sogenannten Fitinhas verkauft, die mit drei Knoten, die drei Wünsche symbolisieren, um das Handgelenk gewickelt werden, alternativ für den modebewussten Brasilianer um den Zaun vor der Kirche. Die Wünsche gehen erst in Erfüllung, wenn das Band von allein abfällt. Abschneiden bringt Pech und so hoffe ich, dass an dem Glauben nix dran ist, denn ich hab mein Bändchen nach einer Zeit abgeschnitten, weil es zu eng gebunden war. Aber pssst, ist sicherheitshalber noch eins am Zaun!

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In der Kirche dann ein weiters Mysterium – die Ex Votos. Das sind Nachbildungen aller möglichen Körperteile, früher aus Holz, heute aus Wachs, die in einem Nebenraum der Kirche aufgehängt werden, verbunden mit dem Wunsch um Besserung oder Heilung, oder was eben so ansteht. Geht der Wunsch in Erfüllung, werden Dankesgaben gebracht und so ist im angrenzenden Museum eine wahre Fülle an verschiedensten Dingen zu bestaunen – Fußballtrikots legendärer Kicker, Füller von Politikern, Goldschmuck von Diven und so weiter. Rund um die Kirche kann man in kleinen Souvenirläden Ex Votos erwerben und ich hatte nicht übel Lust, ein Körperteil zu kaufen. Habs aber nicht gemacht – man soll sich ja nicht lustig machen.

FREIKIRCHEN

Auch wenn Brasilien zahlenmäßig noch die grösste katholische Gemeinde weltweit ist, geht der Anteil der Mitglieder zurück. Viele zieht es in die evangelikalen Freikirchen, Pfingstkirchen oder zu Sekten. Vor allem in den Armenvierteln scheinen diese Gemeinden zu boomen. Diese Kirchen sind nicht ganz unumstritten, da ihnen Profitmacherei via Glaube vorgeworfen wird.

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Den neuen Evangelikalen haben wir zufällig auf Buzios bei einem ihrer Rituale zugesehen. Eigentlich wollten wir zum Baden an einen kleinen Strand, ein bißchen Abgeschiedenheit und Ruhe suchen und waren gar nicht amused, als auf einmal wahre Ströme von weißgekleideten Menschen eben selbigen Strand aufsuchten.

Doch Empörung wich rasch Interesse, denn es handelte sich um eine kleine Kirchengemeinde, die das Ritual der Reinigung der Seele durchführte. Dazu stiegen drei Priester ins Wasser und tunkten nacheinander zu reinigende Mitglieder unter, die darauf hin auch sehr beseelt und fröhlich das Wasser verließen. Die restliche Gemeinde sang derweil freikirchliche Kirchenlieder. War lustig, dem zuzusehen, wobei ich mir ein wenig Sorge um die Gesundheit  der drei Herren im Wasser machte, denn das Ganze dauerte fast zwei Stunden. Boah – Kalt!

CAHANCA

Meine Lieblingsfigur in Sachen Glaube oder Aberglaube ist allerdings der Cahanca. Früher wurde diese Figur, ähnlich den Gallionsfiguren, vorne an den Bootsrümpfen angebracht und diente zum Schutz des Bootes und zur Vertreibung von Bösem. Daher war der Cahanca auch keine dralle barbusige Dame, sondern ein sehr grimmig blickender Geist, gerne auch mit Löwenkopf, der große Fangzähne hatte und nicht betören sondern abschrecken sollte.

Heute findet man Nachbildungen dieser Figur häufig im Eingang brasilianischer Häuser, der Zweck ist der Gleiche geblieben. Und so Einen mussten wir natürlich auch haben, damit er immer fein aufpasst. Schadet ja nicht.

Gefunden haben wir unseren „Hank“ auf dem Markt São Joachim in Salvador, einer Empfehlung unseres Wirtes folgend. Wir waren nicht so sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, als Ausländer diesen Markt zu besuchen. Kleine Gassen, Gewusel, Enge, Geruch und der etwas befremdete Blick der Einheimischen ließen den Besuch anfangs auch zu einem eher merkwürdigen Vergnügen werden.

Aber wir haben uns nicht einschüchtern lassen und irgendwann stand er dann in einer Ecke, genauso, wie wir ihn uns gewünscht hatten und zu einem gnadenlos fairen Preis. Der sollte es dann auch werden und ich möchte euch im Rahmen dieses Artikels über Glaube und Aberglaube nicht vorenthalten, dass mein Gatte nachts, bevor wir zum Markt gingen, geträumt hatte, dass wir „unseren“ Hank an einer besonderen und sehr abgeschiedenen Stelle finden würden 😉 pe