AUF EIN NEUES

zwei

23 Grad, kein Regen und freundliche Aussichten – so darf das neue Jahr in São Paulo gerne beginnen! Wir fanden es sehr schön in Deutschland und haben uns gefreut, all die Lieben wieder zu sehen. Dankeschön für die gute Zeit! Es hat auch dieses Mal leider nicht mit allen geplanten Treffen geklappt, aber da wir jetzt nur noch ein halbes Jahr hier bleiben, ist die Zeit ja nicht mehr so lang und man sieht sich „jetzt in Echt“ im SOMMER! pe & jo

DIE ZOCKER VON IGUAPE

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Iguape ist eine kleine Kolonialstadt im Süden des Bundesstaates São Paulo und etwa 2,5 Autostunden (unter normalen Bedingungen – dazu ein ander‘ Mal mehr) von São Paulo entfernt. Nah am Meer gelegen, mit einer vorgelagerten Insel, der Ilha Comprida, einem reichhaltigen Angebot an Krustentieren und Fischen aufgrund der üppigen Mangrovenlandschaft, einem fruchtbaren Tal im Rücken – also allem, was man rein geografisch gut gebrauchen kann, um eine florierende Handelsstadt zu werden.

Das wurde man auch – vor allem dank des Reisanbaus und dessen guter Qualität – sodass Mitte des 19Jhds blühender Wohlstand herrschte: 5 Reisfabriken sorgten dafür, dass wöchentlich etwa 10 Frachtschiffe Richtung Europa aufbrechen konnten, Banken handelten die Deals aus und finanzierten die Unternehmungen, 6 Zeitungen kursierten, es gab ein reichhaltiges kulturelles Angebot, zum Teil mit europäischen Künstlern und sogar ein französisches Konsulat. Im Netz las ich, dass die Stadt etwa die Bedeutung Rios oder Salvadors hatte – damals. Heute nicht mehr. Was war denn da los?

Nun, der Abtranport der Waren aus dem Hinterland lief den findigen Geschäftsleuten einfach nicht perfekt genug, denn die Ware musste über einen Fluß, den Ribeira, transportiert werden, wurde dann auf Wagen umgeladen, zu einem Hafen gebracht und konnte dort erst verschifft werden. Doof, wenn man das Ganze doch theoretisch komplett auf dem Wasserweg lassen und damit logistisch vereinfachen könnte, indem man einen Kanal baut, der Fluss- und Seeweg miteinander verbindet um damit die künftige wirtschaftliche Lage aufs Feinste zu optimieren.

Gesagt – Antrag gestellt! Dank der Bedeutung der Stadt gelang es, das Anliegen beim damaligen König Don Pedro II vor- und durchzubringen, sodass der Kanal dann 1855 fertiggestellt werden konnte, stolze 4 km lang. Doch leider hatte man die Rechnung ohne den Fluss gemacht: Die Wassermassen hatten nun eine prima Abkürzung Richtung Meer, wurden reissender und spülten gleich mal alles drumhherum mit weg. Iguape Land unter!

Kein Hafen mehr, keine Geschäfte mehr und somit gab es einen rapiden wirtschaftlichen Abstieg, der zur Folge hatte, dass viele Bewohner die Stadt verliessen. Die wenigen, die blieben hatten mit einem weiteren Problem zu kämpfen, denn der Bestand an Krustentieren und Fischen dezimierte sich rasch aufgrund der ernormen Süßwassermengen.

Erst durch die Einwanderung der Japaner Anfang des 20ten Jhds. stabilisierte sich die Region wieder. Heute werden dort Reis, Tee und Bananen angebaut, Krustentiere gefangen und der Tourismus wird sanft und ökologisch gefördert. pe

VERBOTE

Als ich letzte Woche am Strand zum ersten Mal ein Schild sah, auf dem darum gebeten wurde, NICHT mit dem Auto AUF den Strand zu fahren, musste ich noch grinsen, denn der Brasilianer braucht tatsächlich teilweise Verbote für Dinge, die doch eigentlich selbstverständlich sind. Mit dem Auto auf den Strand??? Schon einen Tag später sah die Sache ganz anders aus, nämlich als wir beschlossen, AN den Strand von Jureia zu fahren.

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Dieser Strand erstreckt sich über 20 km, ist sehr wild und verlassen und an seinem nördlichen Ende wuchert der Regenwald ins Meer. An seinem Anfang sind wir gelandet und waren etwas irrtiert, als ein kleiner Bus, bepackt mit biertrinkenden und grölenden Brasilianern an uns vorbei zog, zum Strandzugang durch eine Düne bretterte und dann Richtung Norden verschwand.

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Da haben wir nicht lange überlegt – und sind hinterher! (Ja ich weiß: Böse, Böse, ja ich weiß!!!) Aber eigentlich hat dort keiner wirklich überlegt – auf dem Strand parkten jede Menge Autos und viele sind auf diesem Weg natürlich auch weiter nach Norden gefahren. 😉 Und bis auf einige Prile, die man durchqueren musste, übrigens eine sehr angenehme Fahrbahn und ein riesen Spaß!

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Irgendwann hieß es dann via Schild: „Stopp, hier bitte nicht weiterfahren, Gefahr stecken zu bleiben!“ (Aha, man ging also von offizieller Seite doch klar davon aus, dass die meisten allen Verboten zum Trotz mit dem Auto anreisen würden – großartig!). Wir haben also sicherheitshalber geparkt und sind zu Fuss los. Der kleine Bus vor uns übrigens nicht. Die haben kurz eine kleine Schleife gedreht, sind durch den Pril und holla die Waldfee weiter …

Etwa eine Stunde später folgendes Bild:

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Nun ging mir allerdings auch etwas der Hut, denn die Flut war zu allem Überfluss im Anmarsch und ich hatte überhaupt keine Lust, etwas ähnliches zu erleben, nämlich auch stecken zu bleiben. Also hab ich unseren Rückweg „erquengelt“, was bedeutete, nicht bis zum Ende laufen, nicht den Regenwald genießen, sonder Ratz Fatz zurück. Ganz bald saßen wir dann auch wieder im Auto und sind heil durch die Einfahrt/Ausfahrt-Düne gefahren, ohne dass Schlimmeres passiert wäre. Puuuuh!

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Das Auto ließen wir nun außerhalb des Strandes und bauten unser Lager in der Nähe direkt hinter ein paar Hölzern auf, die in den Boden gerammt waren, damit niemand durch- und auf die andere Seite fahren kann. Das nenn ich mal ein funktionierendes Verbot! 🙂 Dort hatten wir dann großen Spaß, die weniger glücklichen Fahrer beim Versuch zu beobachten, durch die Düne zu kommen, denn die Spurrillen waren zwischenzeitlich vollkommen ausgefranst. Da wurde Anlauf genommen und geschoben und getrickst, dort versammelten sich Menschen, die gute Ratschläge oder ein zupackendes Wesen hatten, um den Steckengebliebenen zu helfen, doch erst ein LKW – ja genau – ein LKW AUF dem Strand brachte die Spur letztendlich wieder ans Laufen.

Am sympathischsten an der Geschichte finde ich, dass der Brasilianer ein Verbot auf Schilder schreibt, dieses dann später noch mal verstärkt, nach dem Motto: „Doch, es ist uns wirklich ernst“ um dann zum Schluss eine Sperre aufzubauen, weil er genau weiss, dass sich keine Socke daran hält 🙂 pe

JUTE STATT PLASTIK

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Na soooo weit ’simmer‘ hier noch nicht, aber immerhin hat es jetzt eine weitgreifende ökologische Entscheidung gegeben: Seit dem 25.01.2012 dürfen in den Supermärkten São Paulos nicht mehr die kleinen Wegwerfplastikbeutel ausgehändigt werden. Bisher wurde großzügig mit den kleinen Beuteln umgegangen – teilweise landete nur ein Produkt darin, da die Packer die Angewohnheit haben, die Waren inhaltlich voneinander zu trennen. Da wäre niiiiiemals ein Shampoo neben einem Paket Käse gelandet – Nein Pfui. So kam es schon mal vor, dass man mit 10/20 dieser kleinen Tüten zu Hause ankam.

Stattdessen gibt es nun recyclete große Tüten, die man kaufen muss. Die ersten Protestaktionen haben prompt stattgefunden. Verbraucher fordern, dass die Supermärkte die neuen Beutel kostenfrei breitstellen, die Gewerkschaft der chemische Industrie sieht im Verbot lediglich den Wunsch der Märkte, die eigenen Gewinne zu steigern. Und das „nationale Institut zur Verteidigung der Konsumenten“ (toller Name!) ist in Sorge, dass die Handelsunternehmen nun gezwungen werden könnten, ihre Waren transportfähig anzubieten, wenn die Verbraucher sich weigern sollten, die Beutelchen zu nutzen. Diese wiederum nehmen einfach alte Pappkartons, die sie selber mitbringen und recyclen so auf ihre Weise. Also viel Lärm um nichts!

Wir haben unsere, schon vor Monaten erstandene, Einkaufstasche und fallen nun nicht mehr auf, wenn wir die Einpacker an den Kassen bitten, diese zu benutzen. Ein wenig Widerwillen gibt es immer noch bzgl. der Zusammenlegung unterschiedlicher Nahrungsgruppen, aber ich bin zuversichtlich: Das wird schon!

Ein kleines bißchen trauere ich den Beutelchen allerdings schon hinterher, denn die waren irre praktisch, um damit die kleinen WC-Eimerchen auszukleiden, die benötigt werden, um das WC-Papier darin zu entsorgen. Einfach ab- und wegspülen ist nicht, denn dann würden die maroden Abwasserleitungen rasch verstopfen und was dann folgt, will kein Mensch. Jetzt werde ich mich mal auf die Suche nach einer Alternative machen, bzw. heute erstmal meine Sprachlehrerin Lena befragen, was sie über das Thema denkt und wie sie nun mit dem Beutelchen-Problem umgeht. pe