SÃO PAULO – SALVADOR

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Mit dem Flugzeug braucht man für diese Strecke 2 1/2  Stunden, wir aber dachten: „Nein, das muß mi’m Auto herrlich sein“ und so haben wir beschlossen, den Juli über ganz gemütlich die Küste hoch nach Salvador de Bahia zu fahren und dann Ratz Fatz in zwei/drei Tagen durchs Inland wieder zurück. Insgesamt waren das zum Schluss mehr als 5000 km auf unserem KM-Zähler, verglichen mit Europa etwa die Strecke Köln-Lissabon-Köln. Die Reise war toll und es gibt einiges zu erzählen, wenn die vielen Fotos mal auseinander- und wieder zusammengepuzzelt sind. pe

Hier schon mal die Route auf Maps >>> Route

BALEIAS

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Zwischen Juli und Oktober versammeln sich jedes Jahr Buckelwale aus der Antarktis in den warmen und flachen Gewässern vor Bahia, um sich fortzupflanzen. Dazu bilden sie kleine Gruppen, meist mit mehreren Männchen und Weibchen, um es dann lustig munter und querbeet zu treiben damit sichergestellt ist, dass 12 Monate später – übrigens an gleicher Stelle – Junge zur Welt kommen.

Der Bahianer ist da mächtig stolz drauf und behauptet, dass alle Buckelwale Brasilianer seien! Und natürlich kann man sich das Schauspiel vom Boot aus anschauen – fast alle Orte an der Küste bieten in dieser Zeit „whale-watching“ an und wir haben das von Cumuruxatiba aus getan.

 

Dazu geht es auf ein kleines Boot und dann ca. 2 Stunden aufs offene Meer hinaus. Die Guides an Bord halten derweil Ausschau – die Passagiere auch – und ich weiß nicht genau, wie viele Tonnen im Wasser vermeintliche Wale waren, bis dann tatsächlich am Horizont die schwarzen Buckel auftauchten.

Sofort beginnt die Verfolgung der Tiere und das ist ganz schön spannend, denn der Wal bleibt etwa 1 Minute unter Wasser, bevor er kurz auftaucht, Luft holt und dann wieder verschwindet. Als Bootsführer muß man schon Ahnung haben, um dann die weitere Schwimmrichtung vorauszusehen und den Tieren nicht zu Nahe zu kommen – 50m Abstand ist Pflicht.

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Entsprechend die Stimmung an Bord, denn alle Passagiere sind aufgeregt, haben die Kameras im Anschlag und starren aufs Wasser, bis dann irgendwer brüllt: „Baleia links, rechts oder vorne!“ und die ganze Bagage gleichzeitig versucht, den richtigen Moment für ein Foto zu erhaschen, was fast unmöglich ist, da alles so schnell geht und es natürlich auf dem Boot ziemlich wackelig ist. Ein großer Spaß und ich habe ca. 20 Fotos mit nichts als Wasser aussortiert.

Etwa eine halbe Stunde dauert die Verfolgung und man versicherte uns, dass es den Tieren nichts ausmacht und es sie auch nicht in ihrem Paarungsverhalten stört.  Angeblich sollen die Wale sogar neugierig sein und sich von selbst den Booten nähern: „Showtime Schatz, da sind die Bekloppten wieder“! 😉 pe

CARAVELAS

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Im Jahr 1581 von Portugiesen gegründet, lange Zeit Zentrum der bahianischen Walfangindustrie, mittlerweile wichtig für den Eukalyptustransport aufgrund des Frachthafens und vor allem Ausgangspunkt für geführte Touren zur 70km entfernten Inselgruppe Abrolhos und zum „whale watching“ vor der Küste.

Grund genug, da mal hin zu fahren und eine Bootstour zu buchen, oder? Wenn da nicht der Ort selber wäre, der nicht wirklich interessant und innerhalb der Woche wie ausgestorben ist. So fanden auch nicht täglich Bootstouren statt und wir wurden auf „bis auf weiteres“ vertröstet und direkt wieder aus dem Ort hinaus komplimentiert zu einem etwa 15km entfernten Strand, an dem sich die angeblich einzig brauchbare und angenehme Pousada in Caravelas befindet.

Die Bootstour tags drauf wurde abgesagt und so blieben wir auch nur eine Nacht – alles eigentlich nicht sonderlich bemerkenswert, wenn da nicht abends das rosa Licht und eine beinahe magische Stille gewesen wäre. pe

ITAÚNAS

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Dünen in Brasilien? Das ist eher selten – also nichts wie hin, haben wir gedacht, und das kleine Fischerdorf Itaúnas im Grenzgebiet Espirito Santo/Bahia besucht. Der Weg dorthin führt über unasphaltierte Piste und das ist auch gut so, denn so ist das kleine Dorf vom herkömmlichen Pauschaltourismus noch nicht überrollt worden – demzufolge scheint das Leben dort ziemlich ursprünglich.

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Auf dem zentralen Platz gibt es die obligatorische Kirche, nebendran die Schule mit Fußballplatz, drumherum ein paar Bars und Autowerkstätten, in denen Motoradmotoren auf ihre maximale Drehzahl getestet werden. Hüben gackern ein paar pubertierede Mädchen, drüben balgen sich die auserkorenen Jungs, ab und an überquert ein Pferd den Platz, gefolgt von einem Rudel streundener Hunde, die bei den Bars einen Stopp einlegen um nach Essensresten zu fahnden und irgendwo kräht immer ein Hahn. Also alles easy in Itaúnas, außer im Sommer, wenn der gemeine Forró-Liebhaber den Ort überrollt, die Nacht zum Tag macht und bis in die Morgenstunden tanzt.

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Die Düne! Tolles Ding und bis zu 30m hoch, die natürlich überquert werden wollen, um auf der anderen Seite wieder ans Meer zu gelangen. Auf dem Weg hinunter darf man sich dann entscheiden, welche Strandbar es werden soll, da lange Holzplanken über den Sand bis direkt an die jeweilige Theke führen. Und wenn man es nicht so recht entscheiden mag, da jede Bar von weitem gleich aussieht, hilft ein Bar-Anpreiser und Speisekarten-Zeiger, der schon oben auf der Düne auf potenzielle Gäste wartet. Angeblich soll man in der Düne Reste des alten Fischerdorfs Itaúnas entdecken, das vom Sand verschüttet wurde, aber wir sahen nur ein paar olle Steine – nicht wirklich bemerkenswert.

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Dafür war das die Pousada, wohl die Schönste auf der ganzen Reise und komplett aus Holzbalken und Ästen gezimmert.  Für die Konstruktion benutzt man dicke Balken und für die Wände geflochtene Astmatten, die mit Lehm oder Mörtel (keine Ahnung), abgedichtet werden. Zum Schluß wirds hübsch bemalt und fertig ist das Haus. Diese Art des Hausbaus konnten wir auf der gesamten Reise häufig sehen – fast alle einfachen Hütten sind so konstruiert. Ist ja letzlich nicht viel anders als das deutsche Fachwerk, oder?

Ich glaube, außerhalb der Saison, also im brasiliansichen Winter, ist Itaúnas der perfekte Ort, wenn man Ruhe und Entspannung sucht. pe

ILHÉUS ÄH ITACARÉ

Auf unserer Reise gab es zwischendurch immer wieder Tage, an denen wir nur im Auto gesessen haben, um schnell weiter Richtung Norden zu kommen. Ein Solcher war die Reise von Cumuruxatiba nach Ilhéus – ca. 400 km, also etwa 6 Stunden Fahrt. Die Stadt entpuppte sich aber leider als etwas schwierig bezüglich der Hotel- oder Pousadaausstattung und nach einiger Sucherei haben wir es aufgegeben, ein nettes Übergangsheim zu finden und beschlossen: Wenn wir schon 6 Stunden fahren konnten, dann können wir auch 7 fahren und es geht jetzt direkt weiter nach Itacaré.

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Auf der Karte bis dorthin ein Katzensprung. Schnell wurde die erwählte Pousada telefonsich verständigt, die Dame am anderen Ende der Leitung versicherte uns, dass ein hübsches Zimmer frei sei und dann gings los. Uhrzeit etwa 17h, das heißt kurz vor Dämmerung. Ich war nun die Chauffeuse, da Jo den größten Teil der bisherigen Strecke am Steuer saß und sich eine Pause verdient hatte. Hmmm, schon Dämmerung. Blöd! Saublöd! Ich fahre nicht gerne bei Dunkelheit und hab mehr als eine gefühlte Nachtblindheit. Aber gut, ist ja nur eine Stunde, also Augen auf, Brille davor und durch. Hab ich gedacht.

Das Navi führte uns denn auch aus der Stadt heraus, durch mehrere Dörfer und alles schien fein, bis wir auf einmal wieder die Bundesstraße BR 101 erreichten. Laut Karte ganz klar: da hätten wir eigentlich nicht wieder aufkreuzen sollen. An der nächsten Tankstelle dann Gewißheit: Wir waren falsch gefahren und hätten schon kurz hinter Ilhéus abbiegen müssen. Dorthin zurückzufahren wurde seitens des Tankwarts als sehr unpraktisch beschrieben, denn es gab 2 Alternativen, von denen keine besser war als die Andere: Piste! Mittlerweile war es stockfinster und ich meine: stockfinster und die Vorstellung, jetzt über Piste durch die Gegend zu fahren fand ich mehr als bescheiden. Aber alles wieder Retour?

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Piste heisst: Kein Asphalt, sondern das, was als Untergrund zur Verfügung steht, Schlaglöcher bis hin zu Gräben, Spurrillen und Mulden, je nach Wetter Schlammlöcher … also perfekt, wenn man einen Jeep hat! Und keinen Scenic! (Da würde sich der Brasilianer jetzt amüsieren, denn er macht das mit so ziemlich jedem Gefährt!) Bei Tageslicht macht das Pistefahren auch Spaß! Man muß halt aufpassen, dass es nicht zu sehr unterm Unterboden schrammt oder sich die Achsen verhaken. Aber bei Nacht? Ohne eine einzige Straßenlaterne, ohne Menschen in der Nähe, total allein? Nun: „This Job had to be done“ und daher lehnte ich ab, als Jo vorschlug, er könne fahren und dachte mir: Das ziehste jetzt bis zum bitteren Ende durch und machst dein Seepferdchen, Frei- und Fahrtenfahrer direkt in Einem. So!

2 1/2 Stunden hat die Reise durchs nächtliche Bahia gedauert, 45 Kilometer waren es am Ende. Unterwegs ab und zu ein Dorf oder wie aus dem Nichts Cowboys auf Pferden, ein Reisebus oder Fußgänger und ansonsten Schwärze und irgendwo ein Fluß.  Schneller als 40 km/h konnte man nicht fahren und das Navi war schon lange nicht mehr in Betrieb, zeigte immer die gleiche Entfernung und verbleibende Fahrtzeit an, sagte aber zum Glück nicht: Bitte wenden!

Gegen 21h erreichten wir die Pousada und die Wirtin hatte auf uns gewartet. Als wir ihr erzählten, wie wir gefahren waren, wollte sie es nicht glauben. Sie sagte, die Strecke sei doch total einfach, führe fast die ganze Zeit am Meer entlang und es wären ca. 50 km, also easy in einer Stunde zu erledigen. Tja? Aber jetzt der gute Teil: Es hat nur den CD-Player erwischt, ansonsten keine Verletzungen am Auto und es gab eine wundersame Heilung in Sachen Nachtblindheit 🙂 pe

PS: Von der Fahrt gibt es natürlich keine Bilder – war ja dunkel und sehr aufregend – dafür aber von Itacaré, einem hübschen Surferdorf, wo wir dann letztendlich 5 Tage geblieben sind, bevor es weiter nach Salvador ging.

UND TÄGLICH GRÜSST …

… dr Dom! Keine Ahnung, was den Copyshopbesitzer geritten hat, ausgerechnet ein Foto vom Dom als Werbung über sein Geschäft zu pinnen – außer natürlich, dass es sehr hübsch ist und farblich perfekt zum Anstrich des Hauses passt. Kölsche Vorfahren? Oder Urlaubserinnerungen, oder …? Jedenfalls kommen wir mehrmals in der Woche daran vorbei und kommen nicht umhin, hinaufzuschauen und uns über den Gruß aus der Heimat freuen! pe

FOZ DO IGUAÇU

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„Poor Niagara“ soll Eleanor Roosevelt beim Anblick der Wasserfälle gesagt haben (Quelle: Wikipedia). Jo und ich waren eher bei: Wie geil ist das denn, unglaublich oder kraaaaass!

Die Iguaçu-Wasserfälle liegen im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Brasilien, die Grenze bildet der Verlauf des Flusses Iguaçu. Iguaçu stammt aus der indigenen Guaraní-Sprache und bedeutet so viel wie „großes Wasser“. Wohl wahr, hier ein paar Fakten: Die Fälle  sind mit 2.700m die breitesten der Welt und stehen seit 1984 unter UNESCO-Schutz. Durchschnittlich stürzen etwa 1.700 Kubikliter pro Sekunde in zwei Stufen 75 m hinab, bei starkem Regen können das aber auch bis zu 7000 Kubikliter sein. (Letzte Woche war es wohl Zweiteres, denn es hat leider pausenlos geregnet).

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Der größte Teil der Fälle liegt auf argentinischer Seite, dafür hat der Brasilianer die beste Totalansicht. Oder nicht? Hier beginnt ein wichtiges Thema: Hat nun der Brasilianer oder der Argentinier die bessere Seite? Stellt euch vor, es gäbe ein vergleichbares Naturschutzgebiet  zwischen Holland und Deutschland – dann habt ihr in etwa eine Idee von Ausmaß der Spekulation 😉

Wir haben zuerst die brasilianische Seite besichtigt, da ein Mitarbeiter unseres Hostels sagte, es sei besser so, ansonsten käme, wenn man die argentinische Seite zuerst gesehen hat, einem die brasilianische Seite vor wie „Shit“. Argentinier eben.

BRASILIANISCHE SEITE

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Ganz kann ich das nicht unterschreiben. Auf der brasiliansichen Seite hat man einen spektakulären Panorama-Blick auf beide Teile der Fälle (Garganta del Diabolo und San Martin). Ein kurzer Wanderweg verläuft entlang der Schlucht und endet an einem Aussichtspunkt mitten in den Fällen. Dort ist Nasswerden  durch die heraufwirbelnde Gischt garantiert, aber das wird durch einen fantastischen Blick belohnt. Also unbedingt bis ans Ende der Plattform gehen, wenn ihr mal dort seid.

Man kommt auf der brasilianischen Seite am nächsten an die Fälle heran und kann dort zum Beispiel Vögel beobachten, die hinter dem Wasservorhang ihre Nester gebaut haben und mittendurch hineinfliegen. Man mag das nicht ganz glauben, denn der Wasserdruck ist ja immens, aber irgendwie schaffen die Tierchen das, ohne herabgerissen zu werden.

ARGENTINISCHE SEITE

Meist beginnt die Tour auf der argentinischen Seite mit einem Blick in die Teufelsschlucht (Garganta del Diabolo). Man gelangt per Bahn und über Stege bis an die Wasserkante und hat einen Blick von oben in die Schlucht hinein, wobei spätestens dann der Name vollkommen klar wird. Früher hat man die Toten oberhalb der Fälle ins Wasser geschoben, wo sie dann in die Schlucht stürzten und damit aus den Augen der Trauergemeinde verschwanden. Beerdigung leicht gemacht.

Im Anschluß lohnt sich die Wanderung entlang der markierten Wege, denn es gibt immer wieder spektakuläre Aussichten auf die Fälle, von oben wie von unten. Selbstredend ist das Ganze sehr touristisch, denn Die Fälle sind ein absolutes Muss, wenn man Argentinien oder Brasilien besucht. Man riet uns, sehr früh am Tag dort zu sein, aber ich glaube, es ist völlig egal, zu welcher Zeit man die Tour macht – es ist einfach immer voll und daher ist es am Besten, man entspannt sich auf hohem Niveau.

Last but not least haben wir eine Bootstour mitgemacht, wo es dann mit Speedbooten ganz nah an die Fälle herangeht oder sagen wir, in die Fälle hinein? Das ist primär Fun und man wird, wie auf der brasilianischen Seite, garantiert nass, nur mit dem Unterschied, dass man auf dem Boot klitschnass wird. Daher empfiehlt es sich, so viel wie möglich auszuziehen und in die bereitliegenden wasserfesten Säcke zu packen – am besten in Badekleidung die Bootstour machen, wenn das Wetter gut genug ist.

Oder die Bootstour ans Ende des Besuchs legen und dann mit den nassen Klamotten auf dem schnellsten Weg zurück ins Hostel fahren und ab unter die Dusche  … so haben wir das gehalten, denn bei Dauerregen war an natürliches Trocknen nicht zu denken. pe

LEGO BAUEN

Derzeit findet in São Paulo die Architekturbiennale unter dem Motto „Architektur für alle“ statt. Und wie könnte man „ALLE“ besser glücklich machen, als eine große Holzplatte auf Böcke zu stellen und ca. 1 Mio. Legosteinchen darauf auszukippen mit der Bitte, auf dem Gelände eine Stadt zu errichten.

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Dem sind wir auch gerne gefolgt und habe fast 2 Stunden lang Legotürmchen zusammengepuzzelt. Jo hat sich für einen Nachbau des Sambodromo entschieden, um dem Brasilianer ein wirklich wichtiges Stück Kulturgut in die Stadt zu setzten, welches dann aber in einem späterem Bauabschnitt zu einer Kathedrale umgemodelt wurde, was mir inhaltlich besonders gefiel! Leider war es nicht der Kölner Dom – das ist uns zu spät eingefallen. Ich wollte was Hohes Rundes und Größenwahnsinniges, aber leider gingen irgendwann die grauen Klötzchen und die Lust aus – daher nicht ganz so wahnsinnig hoch.

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Spaß hat das gemacht – mehr Spaß als die eigentlichen Exponate der Biennale anzuschauen. Diese werden relativ müde auf einigen Stellwänden und per Touchscreen präsentiert, obwohl die Projekte an sich spannend sind. Zum Beispiel gibt es einen Bericht über die Anstrengungen der Stadt, die Favelas zu reurbanisieren und den Menschen vernünftigen, bezahlbaren und praktikablen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, aber gleichzeitig im Kontext der bisherigen Optik zu bleiben – also bunt und kleinteilig, wie es die Hütten bisher waren. Vielleicht soll die lustige und bunte Farbe über den eigentlichen Zustand hinwegtäuschen, denn was dabei herauskommt ist ziemlich fragwürdig und teilweise schon in São Paulos Randgebieten zu beobachten.

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Dann gibt es dieses Jahr einen Schwerpunkt Städteplanung und -Bau, wo zum Beispiel neben norwegischer, italienischer oder holländischer auch die deutsche Architektur mit dem Thema „Baukultur“ beleuchtet wird. Letzteres allerdings in einem anderen Gebäude und in einem anderen Stadtteil und ich glaube kaum, dass „ALLE“ den Weg dorthin finden, zumal es leider keinen Shuttlebus oder ähnliches  gibt. Wir haben uns das auch für einen anderen Tag vorgenommen.

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Last but not least lohnt sich ein Besuch der Biennale wegen des Gebäudes, indem sie untergebracht ist. Es wurde, analog der Bauweise der indigenen brasilianischen Rundhütten, „OCA“ genannt und gebaut hat es – wie könnte es anders sein – der Herr Niemeyer. Es befindet sich im Ibirapuera-Park nur einen Steinwurf vom eigentlichen Biennale-Gebäude entfernt. Von außen wirkt die OCA-Halbkugel ziemlich klein, aber innen befinden sich 4 Ebenen, die durch geschwungene Rampen verbunden sind. Es gibt keine Räume, alles ist offen und die Fläche ist frei gestaltbar, weswegen das Gebäude fast ausschließlich für Events etc. genutzt wird.

Die Biennale läuft noch bis zum 4ten Dezember und vielleicht müssen wir da nochmal hin, um doch noch einen kleinen Dom aufzustellen 😉 pe

DIE ZOCKER VON IGUAPE

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Iguape ist eine kleine Kolonialstadt im Süden des Bundesstaates São Paulo und etwa 2,5 Autostunden (unter normalen Bedingungen – dazu ein ander‘ Mal mehr) von São Paulo entfernt. Nah am Meer gelegen, mit einer vorgelagerten Insel, der Ilha Comprida, einem reichhaltigen Angebot an Krustentieren und Fischen aufgrund der üppigen Mangrovenlandschaft, einem fruchtbaren Tal im Rücken – also allem, was man rein geografisch gut gebrauchen kann, um eine florierende Handelsstadt zu werden.

Das wurde man auch – vor allem dank des Reisanbaus und dessen guter Qualität – sodass Mitte des 19Jhds blühender Wohlstand herrschte: 5 Reisfabriken sorgten dafür, dass wöchentlich etwa 10 Frachtschiffe Richtung Europa aufbrechen konnten, Banken handelten die Deals aus und finanzierten die Unternehmungen, 6 Zeitungen kursierten, es gab ein reichhaltiges kulturelles Angebot, zum Teil mit europäischen Künstlern und sogar ein französisches Konsulat. Im Netz las ich, dass die Stadt etwa die Bedeutung Rios oder Salvadors hatte – damals. Heute nicht mehr. Was war denn da los?

Nun, der Abtranport der Waren aus dem Hinterland lief den findigen Geschäftsleuten einfach nicht perfekt genug, denn die Ware musste über einen Fluß, den Ribeira, transportiert werden, wurde dann auf Wagen umgeladen, zu einem Hafen gebracht und konnte dort erst verschifft werden. Doof, wenn man das Ganze doch theoretisch komplett auf dem Wasserweg lassen und damit logistisch vereinfachen könnte, indem man einen Kanal baut, der Fluss- und Seeweg miteinander verbindet um damit die künftige wirtschaftliche Lage aufs Feinste zu optimieren.

Gesagt – Antrag gestellt! Dank der Bedeutung der Stadt gelang es, das Anliegen beim damaligen König Don Pedro II vor- und durchzubringen, sodass der Kanal dann 1855 fertiggestellt werden konnte, stolze 4 km lang. Doch leider hatte man die Rechnung ohne den Fluss gemacht: Die Wassermassen hatten nun eine prima Abkürzung Richtung Meer, wurden reissender und spülten gleich mal alles drumhherum mit weg. Iguape Land unter!

Kein Hafen mehr, keine Geschäfte mehr und somit gab es einen rapiden wirtschaftlichen Abstieg, der zur Folge hatte, dass viele Bewohner die Stadt verliessen. Die wenigen, die blieben hatten mit einem weiteren Problem zu kämpfen, denn der Bestand an Krustentieren und Fischen dezimierte sich rasch aufgrund der ernormen Süßwassermengen.

Erst durch die Einwanderung der Japaner Anfang des 20ten Jhds. stabilisierte sich die Region wieder. Heute werden dort Reis, Tee und Bananen angebaut, Krustentiere gefangen und der Tourismus wird sanft und ökologisch gefördert. pe

VERBOTE

Als ich letzte Woche am Strand zum ersten Mal ein Schild sah, auf dem darum gebeten wurde, NICHT mit dem Auto AUF den Strand zu fahren, musste ich noch grinsen, denn der Brasilianer braucht tatsächlich teilweise Verbote für Dinge, die doch eigentlich selbstverständlich sind. Mit dem Auto auf den Strand??? Schon einen Tag später sah die Sache ganz anders aus, nämlich als wir beschlossen, AN den Strand von Jureia zu fahren.

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Dieser Strand erstreckt sich über 20 km, ist sehr wild und verlassen und an seinem nördlichen Ende wuchert der Regenwald ins Meer. An seinem Anfang sind wir gelandet und waren etwas irrtiert, als ein kleiner Bus, bepackt mit biertrinkenden und grölenden Brasilianern an uns vorbei zog, zum Strandzugang durch eine Düne bretterte und dann Richtung Norden verschwand.

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Da haben wir nicht lange überlegt – und sind hinterher! (Ja ich weiß: Böse, Böse, ja ich weiß!!!) Aber eigentlich hat dort keiner wirklich überlegt – auf dem Strand parkten jede Menge Autos und viele sind auf diesem Weg natürlich auch weiter nach Norden gefahren. 😉 Und bis auf einige Prile, die man durchqueren musste, übrigens eine sehr angenehme Fahrbahn und ein riesen Spaß!

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Irgendwann hieß es dann via Schild: „Stopp, hier bitte nicht weiterfahren, Gefahr stecken zu bleiben!“ (Aha, man ging also von offizieller Seite doch klar davon aus, dass die meisten allen Verboten zum Trotz mit dem Auto anreisen würden – großartig!). Wir haben also sicherheitshalber geparkt und sind zu Fuss los. Der kleine Bus vor uns übrigens nicht. Die haben kurz eine kleine Schleife gedreht, sind durch den Pril und holla die Waldfee weiter …

Etwa eine Stunde später folgendes Bild:

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Nun ging mir allerdings auch etwas der Hut, denn die Flut war zu allem Überfluss im Anmarsch und ich hatte überhaupt keine Lust, etwas ähnliches zu erleben, nämlich auch stecken zu bleiben. Also hab ich unseren Rückweg „erquengelt“, was bedeutete, nicht bis zum Ende laufen, nicht den Regenwald genießen, sonder Ratz Fatz zurück. Ganz bald saßen wir dann auch wieder im Auto und sind heil durch die Einfahrt/Ausfahrt-Düne gefahren, ohne dass Schlimmeres passiert wäre. Puuuuh!

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Das Auto ließen wir nun außerhalb des Strandes und bauten unser Lager in der Nähe direkt hinter ein paar Hölzern auf, die in den Boden gerammt waren, damit niemand durch- und auf die andere Seite fahren kann. Das nenn ich mal ein funktionierendes Verbot! 🙂 Dort hatten wir dann großen Spaß, die weniger glücklichen Fahrer beim Versuch zu beobachten, durch die Düne zu kommen, denn die Spurrillen waren zwischenzeitlich vollkommen ausgefranst. Da wurde Anlauf genommen und geschoben und getrickst, dort versammelten sich Menschen, die gute Ratschläge oder ein zupackendes Wesen hatten, um den Steckengebliebenen zu helfen, doch erst ein LKW – ja genau – ein LKW AUF dem Strand brachte die Spur letztendlich wieder ans Laufen.

Am sympathischsten an der Geschichte finde ich, dass der Brasilianer ein Verbot auf Schilder schreibt, dieses dann später noch mal verstärkt, nach dem Motto: „Doch, es ist uns wirklich ernst“ um dann zum Schluss eine Sperre aufzubauen, weil er genau weiss, dass sich keine Socke daran hält 🙂 pe

SÃO PAULO: ALAAAAAF

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Da brauchen wir drei Jahre, um DEN Rosenmontagszug São Paulos zu finden …. tztztz. Aber lieber spät als nie!!! Das Ganze stellt sich natürlich ein klein wenig anders dar:

Es ist um die 30 °C, was sich auf die Wahl der Kostüme auswirkt – eher weniger statt mehr. Es gibt vorne weg einen Wagen, statt Prinz mehrere Sänger, statt Kapelle eine Batterie von Lautsprechern, damit es auf keinen Fall zu leise ist. Die Leute stehen zwar an der Straße und schauen zu, tanzen aber noch viel lieber hinter dem Wagen her.

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Es werden keine Kamelle oder „Strüssje“ geworfen, dafür wird mit Sprühschaum rumgespritzt (wurde wahrscheinlich extra für Karneval erfunden und macht sofort ein Kostüm, wenn man den ab bekommt 😉 )

Und was wirklich seeeeehr praktisch ist: die Getränkedosenverkäufer gehen auch mit, so dass für Erfrischung jederzeit gesorgt ist und man sich selbst um nichts als tanzen und singen kümmern muss. Der Brasilianer denkt praktisch.

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DER „Zoch“ findet immer am Rosenmontag im Stadtteil BelaVista/Bixiga statt, dem Little Italy São Paulos. Ab 14 Uhr beginnt dort die Parade durch das „Veedel“, veranstaltet vom „BLOCO ESFARRAPADO DO BIXIGA“ (die Zerlumpten aus Bixiga), dem ältesten Bloco der Stadt. Er wurde 1947 gegründet und hat dieses Jahr 65jähriges Jubiläum.

Dieser kleine Umzug hat uns den Wehmut, nicht in Köln zu sein, regelrecht weggezaubert. Da ist soviel Lebensfreude und Energie und es macht richtig Spaß, mitzulaufen. pe

 

PRINCESA BIBESCO

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Èduard Vuillard ist ein Maler des französischen Impressionismus, genauer gesagt, des Intimismus. Diese Bezeichung bezieht sich auf die gedämpften „intimen“ Farben, so heisst es.

Aber wenn ich das MASP aufsuche (Museu de Arte de São Paulo), um mein allerliebstes impressionistisches Lieblingsbild im Original zu bewundern, nämlich das Portrait der in Bukarest geborenen Schriftstellerin Princesa Bibesco, von eben jenem Herrn Vuillard 1920 gemalt, dann springen mir die Farben nur so ins Gesicht und ich kann das so gar nicht intim finden – eher psychedelisch.

Das MASP zeigt in seiner Dauerausstelung Bilder der Romantik und ich frage mich immer, warum sooo viele berühmte Gemälde in São Paulo gelandet sind? Künstler wie El Greco, Bosch, Turner, Gauguin, Van Gogh, Renoir, Monet und Manet, Dali, Rodin, Matisse und weitere sind dort zu sehen. Uffffz …!

Also wenn ihr mal die Gelegenheit haben solltet, dürft ihr das MASP auf der Avenida Paulista auf keine Fall versäumen. Ich könnt auch schon wieder … 😉 pe

PS: Architektonisch übrigens ebenfalls ziemlich wertvoll, denn das MASP ist auf den Bleistift von Lina Bo Bardi zurückzuführen, einer bedeutenden italienisch/brasilianischen Architektin.

EUKALYPTUS

Das, was gerade so hübsch dekorativ auf unserem Tisch steht und den ganzen Raum mit natürlichen ätherischen Ölen beduftet ist das Abfallprodukt dessen, mit dem ihr euch evtl. gerade die Nase putzt – auch ätherische Öle drin, diesmal künstlich.

Die Eukalyptusindustrie ist gigantisch in Brasilien, denn hier gedeiht die schnell wachsende Pflanze, die ursprünglich aus Australien kommt, besonders gut. Verarbeitet wird das Holz zu Zellulose, aus der nach Bleichung Papier gewonnen wird. Und da haben wir direkt vier Probleme auf einmal:

Die Eukalyptusplantagen verdrängen den tropischen Küstenurwald, wie wir im Sommer auf unserer Reise nach Salvador selber sehen konnten. In den Urwäldern wachsen normalerweise pro Hektar 450 Baumarten und 92 Prozent aller Amphibienarten leben ausschliesslich dort. Heute sind noch 7% des ursprünglichen „Mata Atlântica“ erhalten und viele Pflanzen- und Tierarten sind ausgerottet.

Nicht nur die Tiere wurden verdrängt, sondern auch die dort lebenden Bauern, die ihre Felder für die Industrie räumen mussten und als Arbeiter auf den Plantagen angestellt wurden. Durch den Einsatz technischer Hilfsmittel werden immer mehr Stellen gestrichen und das führt zu Arbeitslosigkeit und großen Konflikten.

Die Bäume werden als Monokulturen gepflanzt, um die Plantagen einfacher bewirtschaften zu können. Ein Eukalyptusbaum entzieht dem Boden jede Menge Wasser, 30 Liter braucht er am Tag. Das hat zur Folge, dass Flüsse oder Wasserquellen austrocken und der Grundwasserspiegel absinkt. Damit veröden ganze Landstriche und werden für Jahre unbrauchbar.

Um aus dem kleingehackten Eukalyptusholz Zellulose zu gewinnen, muss es gebleicht werden und das macht der Brasilianer am liebsten mit Chlor. So wurde das Farbrikabwasser verseucht und Arbeiter, die dauerhaft damit in Kontakt waren, erkrankten an Krebs. Heute verwendet man weniger giftige Chloride, doch die Grundwasserwerte sind dauerhaft kritisch.

Da schaut man ein hübsches, weißes Taschentuch schon mit anderen Augen an, oder? Zum Glück ist aber alles langsam auf dem Weg der Besserung, da man die Probleme erkannt hat. So werden immer mehr Zertifikate installiert, die nachhaltig und sozial gerechtes Papier kennzeichnen, denn damit kann Druck auf die Papierriesen ausgeübt werden.

Also achtet beim Kauf von Papier auf die Gütesiegel, wie den „blauen Engel“, „FSC“ oder „Oecoplan“, denn das hilft der Natur und den Menschen hier. Und ich genieße jetzt trotzdem den tollen Duft im Wohnzimmer. pe

TEATRO MUNICIPAL

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Schönes Theater, gelungene Architektur, beindruckender Innenraum – alles gut im Teatro Municipal, das wir letzte Woche besucht haben, um ein klassisches Konzert zu hören und mal „zu gucken“. Das Theater ist erst letzten Sommer nach langer Renovierungszeit wiedereröffnet worden und ein Besuch steht auf unserer „ToDo“-Liste der Dinge, die wir unbedingt noch erledigen möchten, bevor es zurück nach Deutschland geht.

Das Theater an sich ist toll, aber richtig besonders wird es, wenn man sich die Historie dieses Gebäudes vor Augen führt. Nicht nur, dass dort internationale Künstler wie Maria Callas, Enrico Caruso oder Rudolph Nureyev aufgetreten sind – das Teatro war auch Schauplatz der für die brasilianische Kunst wichtigsten Veranstaltung ever – der Semana de Arte Moderna.

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MODERNISMO

Vom 11ten bis zum 18ten Februar 1922 hatte eine ganz besondere Künstlergruppe das Theater für Vorträge, Lesungen, Diskussionen und Ausstellungen angemietet. Die Idee, die in dieser Woche ihren Ausdruck fand, war, die brasilianische Kunst von ihren europäischen Vorbildern (zum Beispiel Dadaismus oder Surrealismus) abzulösen und eine eigene brasilianische Identität zu schaffen.

Kann man ja gut verstehen, denn Brasilien ist von der Kultur der Einwanderer, zurück bis zum 16ten Jhd., geprägt worden. Erst kamen die Portugiesen, dann die Afrikaner, die Italiener, Deutschen und Japaner – nicht alle ganz freiwillig, aber alle wollten sie ein Wörtchen mitreden und mitgestalten. So entstand Anfang des 20 Jhds, als Brasilien sich mehr und mehr industrialisierte und eigenständiger wurde, vor allem in intellektuellen Kreisen der Wunsch, diesem bunt gemischten Volk eine eigene kulturelle Identität zu geben.

Mário de Andrade, damals 29-jährig und Vater der Bewegung forderte „im Namen aller Künstler das Recht auf Selbstbestimmung der ästhetischen Werte, die Aktualisierung der brasilianischen Kunst sowie die Bildung eines kreativen Nationalbewusstseins.“ So!

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Die Semana de Arte ist als Begründung des brasilianischen Modernismo in die Geschichtsbücher eingegangen und Teilnehmer waren unter anderem Künstler wie Tarsila do Amaral, Di Cavalcanti, Mário de Andrade, Oswald de Andrade und Heitor Villa-Lobos.

Das Gemälde oben ist das bedeutendste der erstgenannten Künstlerin Tarsila do Armaral. Sie hat es 1928 gemalt und es trägt den Titel „Abaporu“, was in der indigenen Tupi-Sprache „Anthropopage“ , also Menschenfresser heisst. Der Titel des Bildes ist Namensgeber für das Anthropopagische Manifest, das Oswaldo de Andrade, Gatte Tarsilas im Rahmen der Modernismo-Bewegung verfasst hat. Motto ist, „das Fremde nicht wegzuschieben, sondern aufzufressen.“ Damit beschreibt er in einer These, verschiedene Kulturen zu absorbieren um damit eine neue brasilianische Identität zu gestalten.

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Diese Idee ist bis heute in allen Bereichen der brasiliansichen Kultur wirksam, zum Beispiel beim Street-Art-Künstler Nunca. Seine Charaktere sind unter anderem Kannibalen, die sich gegenseitig auffressen oder zerteilen und dabei amerikanische Markenimporte wie Nike (er schreibt es lautsprachlich NAIQUE) oder Oakley (Oakleii) tragen. So finden sich an den Wänden São Paulos abgetrennte Finger, Arme oder andere Körperteile und die Gründer des Modernismo wären sicher begeistert.

Ich bin jetzt noch untröstlich, dass die Fotos der Graffiti und Street-Art-Gemälde auf dem Bauzaun um das Teatro Municipal mitsamt meiner Kamera auf unerklärliche Weise verschwunden sind. Da hätte sich sicher auch ein Nunca gefunden. pe

ALLERGIETEST

Brasilien ist berühmt für seine tollen exotischen Früchte. Um die Vielfalt zu testen und den Körper auf fremde Vitamine einzupegeln, wäre ein Besuch im Veloso zu empfehlen.

Das Veloso ist eine Bar/Boteca in Vila Mariana, in der es den besten Caipirinha São Paulos geben soll. Beweisen die vielen Preise, die der Barmann Souza gewonnen hat. Sagen diverse Magazine, die jedes Jahr die besten Botecas der Stadt küren. Und meinen auch die vielen Besucher, die sich jeden Samstag die Beine in den Bauch stehen, um einen der wenigen freien Plätze zu ergattern.

So wie wir, da Jo beschlossen hat, das Veloso kurzfristig noch auf unsere „ToDo“-Liste zu setzen. Letzten Samstag haben wir es demnach gehalten, wie Millionen andere Brasilianer auch: Ausschlafen und dann ab in die Kneipe, um dort bei Snacks, Feijoada, Bier oder Caipirinha und definitiv viel TamTam den ganzen Nachmittag lang das Wochenende einzuläuten. 😉

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Hand aufs Herz: Die Caipies waren wirklich herausragend! Ausschlaggebend ist der Cachaça, den es hier in unzähligen Varianten gibt, da quasi jedes Dorf seine eigen Zuckerrohrbrennerei hatte oder noch hat. Der Pitú, den wir in Deutschland für Caipirinha verwenden, ist übrigens hier allerunterste Kategorie – als besser Hände weg und im Spirituosenladen Geld für andere Importe ausgeben! Rohrzucker wird ebenfalls nicht verwendet, hier nimmt man feinen weißen Zucker.

Ein guter Barmann, und dazu kann man Souza, Chefmixer des Veloso wirklich zählen, weiß genau, welcher Cachaça zu welcher Frucht passt. So sind seine Schnaps-Frucht-Schöpfungen leider sehr köstlich, wie zum Beispiel Mandarine/Chili oder Caju/Limone oder die Klassiker Maracuja oder Limão. Nur einen trinken, wenn man schon mal da ist, wäre tatsächlich vergebene Liebesmüh. Ins Veloso fährt man mit Ansage! 🙂

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Aber auch die kleinen Häppchen zum Getränk sind ziemlich empfehlenswert, zum Beispiel Coxinhas oder Bolinhas. Das sind fritierte Bällchen mit unterschiedlichen Füllungen, wie zum Beispiel Stockfisch, Fleisch, Trockenfleisch, Krabben oder Käse-Hühnchen-Mischungen, für letzteres ist das Veloso bekannt. Dazu gibt es ordentlich scharfe Chilisauce, die es spielend mit der Aufgabe der Biernüsschen in unseren Breiten aufnehmen kann. 😉 Die kleinen Bällchen machen nicht wirklich satt, aber geben ein gutes Gegengewicht zum Hochprozentigen und sind, wenn sie wie im Veloso frisch zubereitet werden, extrem lecker!

Als dann, das Wochenende hatte letzte Woche quasi nur einen „aktiven“ Tag, aber der hatte es in sich! pe

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ABSCHIED

Gerade sitze ich Jo’s altem Kinderzimmer und schaue mir den letzten Blogeintrag an. Das ist alles schon so weit weg und dabei doch erst eine Woche her, seitdem wir das Appartment in São Paulo verlassen haben.

Zwei Nächte haben wir noch im Hotel übernachtet, denn es waren noch einige Formalitäten zu erledigen: die Wohnung musste wieder an den Vermieter übergeben werden, das Auto kam zurück zum Händler, der es nun in unserem Auftrag verkaufen wird, es wurde ein Leihwagen organisiert, die letzte Feijoada musste verspeist werden, das letzte Choppe musste im São Cristovão getrunken werden und nach so vielen letzten Malen lagen wir am letzten Abend in São Paulo schon um 17h im Bett, weil einfach gar nichts mehr ging.

Am Sonntagmorgen gings dann Richtung Trindade, einem alten Hippieort in der Nähe von Parati. Trindade zeichnet sich besonders durch die wunderschönen Strände aus, ansonsten ist da im Winter nicht sonderlich viel los! Zwei Tage waren wir dort und haben eigentlich nur geschlafen und die Seele baumeln lassen. Und nach und nach die Anspannung der vergangenen Tage losgelassen. So heisst es in Brasilien: Jede Welle nimmt ein kleines Stück Sorge oder Last von dir weg. Funktioniert!

Der letzte Tag und die letzte Nacht in Brasilien sollten ganz besonders sein und daher sind wir noch einmal umgezogen. Parati ist ein altes portugiesisches Seefahrernest, mittlerweile UNESCO-Welterbe. Die alten Gassen und Häuser sind extrem malerisch und in einigen befinden sich erstklassige Pousadas. So eine sollte es denn auch sein und im Luxusambiente und mit einem Luxusabendessen haben wir unsere drei Jahre São Paulo angemessen ausklingen lassen.

Mittwoch war  Reisetag und wir sind extra früh aufgebrochen, um auf jeden Fall pünkltich am Flughafen zu sein. Brasilien hatte wohl an diesem Tag beschlossen, sich noch einmal von seiner speziellen Seite zu zeigen, denn etwa 100km entfernt vom Flughafen befanden wir uns auf einmal in einer Straßensperre wegen Sprengarbeiten.

Der Vorarbeiter konnte leider auch nicht so genau sagen, wie lang die Sperrung etwa dauern würde, daher beschlossen wir, uns nicht auf die brasilianischen 1 bis 2 Stunden zu verlassen, sondern zu wenden und eine Straße über Land zu nehmen. 100km mit etwa 60 km/h durch den Wald, ohne zu wissen, ob wir da wirklich durchkommen oder die Straße irgendwann zur Piste wird?! Das ganze mit dem nahenden Abflugtermin im Rücken – ein unbeschreibliches Gefühl 😉

Aber Ende gut, alles gut – irgendwann saßen wir im Flieger der auf die Startbahn zurollte. Da wurde es nochmal ernst, denn unweigerlich kam der Moment, als die Räder den brasilianischen Boden verließen und wir wussten, dass die Zeit nun wirklich und endgültig vorbei ist.

Jetzt sind wir schon ein paar Tage hier, doch es ist noch wie Watte um uns herum. Ich kann mir noch nicht vorstellen, dass es diesmal kein Urlaub ist und wir wirklich bleiben. Wir haben bisher nur die Familie gesehen und das braucht auch noch eine Weile, bis wir wieder richtig kompatibel werden, denke ich. Aber es wird – ganz sicher und wir freuen uns sehr, euch alle früher oder später zu treffen!

Mein Blog neigt sich nun auch langsam dem Ende zu. Ich habe beschlossen, noch zu schreiben bis der Container in Köln ist, denn das Wiederankommen gehört ja auch zu drei Jahren Auslandsaufenthalt. pe

SANTOS

Von São Paulo aus die nächstgelegene Stadt am Meer, etwa 60 km entfernt. Wichtigste Hafenstadt in Lateinamerika. Da, wo auch unser Container vor einem Jahr angekommen ist. Das heißt, unser Hausstand hat schon 2 Wochen dort verbracht, bevor er zu uns gekommen ist.

Vielleicht kommt daher die Sympathie, die wir für Santos haben. Denn wirklich schön ist es dort eigentlich nicht – eher skurril. Es erinnert ein wenig an die belgische Küste – die Uferpromenade wird gesäumt von Hochhäusern damit möglichst viele in der ersten Reihe einen schönen Blick aufs Meer haben können. Witzigerweise sieht das Szenario aus wie wackelige Zähne, denn die Häuser haben aufgrund der schlechten Bodenbeschaffenheit zum Teil eine gehörige Schieflage. In Deutschland würden da Wohnungen evakuiert und Straßen gesperrt, aber in Santos scheint sich niemand wirklich dafür zu interessieren. Das Ein oder Andere Gebäude ist nicht mehr bewohnt, aber das wars denn auch.

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Gestern haben wir auf einer Bootstour neben der tollen Perspektive auf die Backenzahnhäuser auch mal den Hafen von innen heraus gesehen und damit reichlich Containerschiffe die beladen oder gelöscht wurden. Laut Wikipedia hat der Hafen eine Länge von 13 km und die Lagerhallen dort eine Fläche von 500.000 m2! Dazwischen aber auch Favelas die zum Teil bis aufs Wasser gebaut und bei der Ermittlung der Quadratmeterzahl sicher nicht mitgezählt wurden.

Das Ganze untermalt vom Sambasound unseres kleinen Bötchens und unterbrochen vom Kapitän, der sich ab und an genötigt fühlte, die Landschaft zu erklären – nicht dass wir wirklich alles verstanden hätten. Dazu ein paar Dosenbier und 30 °C … abputzen! Herrlich, so ein Tag am Meer.

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Auch herrlich ist der Strand in Santos. Mit etwa 5 km ordentlich lang und tagsüber voller Bikinis und Badehosen. Gegen 17h, wenn es kühler wird verschwindet der sonnenhungrige Brasilianer und macht Platz für den sportlichen Landsmann. Fußballfelder werden im Sand markiert, Fahrräder bilden die Torpfosten und ab gehts. Hier hat schon Pele seine ersten Tore geschossen. Und damit man alles schön sehen kann, wird der Strand von großen Flutlichtanlagen beleuchtet.

In Deutschland würde nun die Zeit der Strandparties anbrechen, Grills würden ausgepackt und so weiter. Aber der Brasilianer ist da nicht so und wenn man nicht nackig sein und sich zeigen kann, isses langweilig. Und „kalt“ geht schon gar nicht! Daher wird der Strand bis auf die Sportler sehr rasch ziemlich menschenleer, die Strandbudenbesitzer packen zusammen und wir hatten noch geradeso Zeit für einen hastigen Caipirinha, bevor uns der Budenbetreiber um die Rückgabe seiner Klappstühle und Gläser gebeten hat. Ja so ist das, es kann nicht immer weitergehen. pe

PARANAGUÁ

Wieder eines der unaussprechlichen Wörter. Paranaguá geht zurück auf die indigene Tupí-Guarani-Sprache Südamerikas und bedeutet so viel wie „schöne Bucht.“ Und das ist sie zweifelsohne.

Sie liegt im Bundesstaat Paraná – einen weiter südlich, wenn man von São Paulo ausgeht. Paranaguá beherbergt den wichtigsten brasilianischen Hafen für Agrargüter und ist außerdem für den Export von Fahrzeugen der Marke Audi bekannt, die in Curitiba, der Hauptstadt, gefertigt werden. Bedeutend ist dieser Hafen auch dadurch, dass die Regierung von Paraguay im Hafen von Paranaguá einen zollfreien Anlege-Kai besitzt und diesen uneingeschränkt nutzen darf. Über diesen Hafen laufen für Paraguay alle Ein- und Ausfuhren.

Das merkt man deutlich, wenn man über die 70km lange Piste von Curitiba zur Stadt fährt. Kolonnen von LKW’s blockieren nicht nur eine, sondern gerne auch alle Fahrbahnen beim Versuch, sich gegenseitig zu überholen. Wir haben auf unserer Reise nach Curitiba eine ganze Reihe von heftigen Unfällen gesehen – umgekippte LKW’S die ihre Ware verloren haben, Crashs und so weiter.

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Aber zurück nach Paranaguá. Den großen Transporthafen haben wir nicht besucht, sondern sind direkt zum alten Zentrum gefahren. Bestimmt wird das Straßenbild von Bauten im Kolonialstil, leider teilweise völlig verfallen. Und bei dem schlechten Wetter, das wir an diesem Tag hatten wirkt die ganze Szene ziemlich morbide. Aber gerade dadurch fühlt man sich zurückversetzt in die Zeit um 1600, als das dort alles losging und die ersten portugiesischen Pioniere die Bucht erobert haben.

Schade, dass der Brasilianer mit seinen alten, gebauten Schätzen so schlecht umgeht. Die Altstadt ist eine Perle und könnte ein echter Anziehungspunkt für Touristen sein. Zur Zeit ist Paranaguá, neben seiner Bedeutung als Hafen, touristisch eher Durchgangsort für die Reisen zur nahegelegenen Ihla do Mel (Honig-Insel). Naja, vielleicht ändert sich das ja irgendwann? pe

JUQUEHI

In schöner Regelmäßigkeit sollte man São Paulo den Rücken kehren und ans Meer fahren. Das ist gut fürs Gemüt und schlecht fürs Portemonnaie, aber das Gemüt geht in diesem Falle vor 😉 Also haben wir letzten Samstag kurzerhand beschlossen, drei Tage ans Meer zu fahren um mal wieder „runterzukommen“.

Wir hatten im letzten Monat eine schwierige Zeit. Der Plan, innerhalb von São Paulo umzuziehen ist ausgereift und wir haben begonnen, Kontakt zu Maklern aufzunehmen um uns Appartements oder kleine Häuser anzusehen. Nicht ganz leicht in der Gegend, in die wir ziehen möchten. Nicht ganz leicht mit unseren Budget. Und nicht ganz leicht mit der Mentalität der hiesigen Makler. Aber das ist eine andere Geschichte und gehört eigentlich in die Rubrik „Handwerk“.

Jo hatte sich letzte Woche passend zum Ende der Abiturprüfungen, die viel Zeit und Energie in Anspruch genommen haben, amtlich den Fuß verknackst und ist nun mit Krücken und Beinschiene unterwegs. Das war dann leider auch das Aus für unsere geplante Tour an die Iguaçu-Wasserfälle.

Meine Situation gestaltet sich gerade auch nicht rosig, denn SoulSampa hat sich nach 1monatigem Zaudern und Hadern und nicht wissen, was ist, eine Pause bis Januar verordnet. Daher habe ich zur Zeit keinen Job dort und überlege jetzt, was ich mit dem Gelernten oder sonst so tun kann. Sehr sehr schade, denn die Stadtouren haben mir viel Spaß gemacht, wenn es auch leider wenig Nachfrage gab. Schnarchnasen! 😉 Also gerade alles doof im Staate São Paulo!

Es gibt das geflügelte Wort, dass bei einem Spaziergang am Strand jede Welle ein Stück Sorge mitnimmt und das haben wir, Jo im Rahmen seiner Möglichkeiten, ausgiebig getestet. Ist zwar nicht alles weg, aber fühlt sich wieder leichter an. Der Strand in Juquehi ist wunderschön, lang und hat eine prächtige Brandung. Zum Schwimmen tricky, aber zum Surfen perfekt, wenn man das kann. Und es gibt eine Strandbar – DIE Strandbar ;-), wie Thomas bestätigen wird und zu der es uns immer wieder hinzieht. Hier die Blder von einem „Stressbeseitigungs-und-wieder-gut-drauf-komm“-Wochenende. pe

BIXIGA

Ich sach nur: Sfogliatelle! Nein, das ist nicht schon wieder ein indigenes Kunstwort – diesmal hat es romanischen Ursprung und bezeichnet ein gefülltes und in Falten gelegtes italienisches Hefegebäck. Wir hatten den ersten Kontakt mit diesem Gebäck“dings“ durch die Fernsehserie „Sopranos“ und als Jo eines Tages mit einem Schächtelchen Sfogliatelle ankam, war die Freude riesig! KleinItalien am Gaumen klebend, daraufhin KleinItalien in Gedanken und ein paar Tage später in Echt in São Paulo – im Bairro Bixiga (gehört zu BelaVista).

Den Ruf, das Little Italy von São Paulo zu sein hat Bixiga, weil Ende des 19ten Jhds verstärkt europäische Einwanderer nach Brasilien strömten, die angeheuert wurden, um auf den Kaffeeplantagen zu arbeiten. So eben auch die Italiener. Viele der italienischen Einwanderer haben sich in der Nähe der Gutshäuser der Kaffeebarone niedergelassen, deren Überbleibsel (teils renoviert, teils Ruine) man übrigens heute noch auf der Avenida Paulista, der Bankenmeile Südamerikas, sehen kann. Naja und die fuzzeligen Reste der Einwandererzeit sind eben deutlich in Bixiga zu spüren – etwa 10 Gehminuten von der Paulista entfernt.

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Dass dieses Viertel nur von italienischen Einwanderern geprägt wurde, ist übrigens eine nette Geschichte – stimmt aber nicht ganz. Tatsächlich versuchten dort auch Portugiesen und Afrikaner einen Neuanfang. Die Afrikaner haben zum Beispiel die erste Karnevalsgesellschaft São Paulos gegründet – die Sambaschule VAI VAI – heute gehört sie zu den Topfavoriten und in die erste Liga der Karnevalsvereine.

Hier der >>> Link zum aktuellen Karnevalssong des Vereins! Falls ihr euch über die klassischen Elemente am Anfang wundert – das diesjährige Motto ist die tragische Lebensgeschichte des brasilianischen Pianisten und Dirigenten João Carlos Martins.

Optisch hat sich in den Straßen rund um die Rua 13 de Maio gar nicht so viel getan – sieht immer noch ziemlich rustikal, ursprünglich und irgendwie italienisch aus. Unterstützt wird der Eindruck durch die vielen italienischen Restaurants und Lädchen, die sich dort aufreihen und die der Grund für die wahren Besucherströme an 5 Wochenenden im Juli/August sind – wenn das Fest „Festa de Nossa Senhora de Achiropita“, stattfindet und auf den Straßen die ganzen fiesen italienischen Kleinigkeiten probiert werden können. Wir hatten neulich – und das meine ich ernst – die besten Ravioli ever in einem der Restaurants!

Verstärkt wird das italienische Gefühl durch die vielen älteren Herrschaften, die sich auf dem nahegelegen Antikmarkt, der jeden Sonntag stattfindet, herumtreiben oder es sich in den Cafés und an der Straße auf schäbigen Plastikstühlen bequem gemacht haben, die Straße „abnehmen“, zusehen, wer da so flaniert, alles kommentieren … und vielleicht gerade Sfogliatelle verspeisen … das würde mir natürlich gut gefallen 🙂 pe

SELBSTVERSUCH REGEN + STRAND

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Das Wetter in São Paulo bietet seit etwa drei Wochen keinen Anlass zur Freude. Es ist zwar nicht kalt, aber es regnet häufig und es ist trist und grau. Daher haben wir uns gedacht: Wenn man schon das Grau nicht ändern kann, dann wenigstens das Umfeld und sind gestern ans Meer nach Guarujá gefahren.

Guarujá liegt auf einer Insel, die etwa 90 km von São Paulo entfernt ist. Nur ein kleiner schmaler Kanal trennt sie vom Festland. Daher stammt auch der indigene Name: schmale Passage = Guaru-ya. Weil man von São Paulo so schnell dort ist, blüht die Strandkultur, um dem Brasilianer eine feine Zeit zu bereiten. Es gibt viele verschiedene Strände – von HalliGalli bis Fischerdorf – von Stadtstrand bis Natur. Es finden sich Strandbuden, Restaurants, Kitsch- und Kremepelläden in ausreichender Anzahl. Also alles so, wie es sich der Brasilianischer wünscht. Wenn die Sonne scheint.

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Aber eben das tat sie nicht. Dennoch – mit dem festen Vorsatz „auch bei schlechtem Wetter ists schön am Meer – wir sind doch keine Weicheier“ und dem Gedanken im Hinterkopf „die Nordsee funktioniert ja auch bei jedem Wetter“ sind wir allen Unkenrufen und dunklen Wolken zum Trotz Richtung Strand losspaziert. Die Wellen waren hoch und toll, die Surfer schwer aktiv, der Strand schön und rau. Das Dosenbier war gut gekühlt, Schirmchen und Liegestühle perfekt ausgerichtet und einem trägen Nachmittag stand nichts im Wege. Haben wir gedacht 😉

Keine halbe Stunde später folgendes Bild: Orkanartige Böen, prasselnder Regen, verlassene Liegstühle und ein paar rote Schirmchen, unter denen sich traubenförmig Menschen zusammengerottet haben, im Versuch, sich und die Habe halbwegs trocken durch das Unwetter zu bringen.

„Nein, ist nicht kalt“. „Neiiiiiiin, ist doch nur Wasser“. NEEEIIIIIIIIN, MÖCHTE KEIN BIER MEHR“!

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Nachmittags insofern Besserung der Lage, dass es im Auto erfahrungsgemäß nicht regnet und wir ausreichend Zeit hatten, die verschiedenen Strände auf der Insel anzufahren und mal zu gucken, was da so geht. Es gab denn auch ein Überraschung, denn am großen Stadtstrand von Guarujá fand ein Freestyle-Paragliding-Wettbewerb statt und das war schon spannend, die Kunststücke zu sehen, die die Jungs da aufgeführt haben.

Hier ein kurzer Film:

Heute morgen dann, entgegen unsere vagen Hoffnung, noch einen Tag ohne Regen am Meer verbringen zu können, leider Ernüchterung: Dauerregen – Grau! Daher gabs statt Strand die Autobahn Richtung nach Hause ins Trockene. In São Paulo schien sogar gemeinerweise ein kleines Bißchen die Sonne, als wir dort ankamen.

Als dann: Das machen wir nicht mehr. Wenn die Wettervorhersage über 70% Regenwahrscheinlichkeit an der Küste prognostiziert, bleiben wir schick daheim. Denn bei allen Schönfärbungsversuchen: Der Strand macht bei Regen einfach keinen Spaß, weder hier, noch an der Nordsee, noch sonstwo 😉 pe

HIGIENÓPOLIS

Architektur in São Paulo = die Herren Oscar Niemeyer, Lina Bo Bardi und Paulo Mendes da Rocha in Sachen Moderne – sprich Beton in allen Variationen (sehr vereinfacht ausgedrückt). Und Rui Ohtake für seine ungewöhnliche und dynamische Architektur (siehe zum Beispiel das Hotel Unique oder das rot-blau gestreifte Ohtake-Building).

Da hab ich meine Rechnung bisher ohne Higinópolis gemacht – dies ist kein Architekt, sondern ein Bairro von São Paulo. Ende des 19 Jhds sammelte sich dort die Highclass São Paulos und erschuf einen Stadtteil, der im Kontrast zum Centro große und breite Straßen hatte, über einen ordentlichen Baumbestand verfügte, sehr ruhig und reinlich war und daher seinen „sauberen“ Namen Higinópolis erhalten hat.

Mitte der Vierziger bis Ende der fünfziger Jahre wuchs der Stadtteil in die Vertikale. Verantwortlich für die, bis heute bemerkenswertesten Gebäude dort, zeichneten sich zwei Architekten, die ebenfalls durch die Moderne inspiriert waren: der Paulistano João Artacho Jurado und der Deutsch-Brasilianer Adolf Franz Heep.

Ersterer baute 1952 in Higinópolis das erste brasilianische Condomínio mit Freizeitcharakter – das Edifício Bretagne. Er integrierte ein Schwimmbad, Spielplätze, Leseräume, einen Tee- und Musiksaal sowie eine Piano-Bar. All das für jedermann im Haus nutzbar. In seiner Architektur huldigt er Oscar Niemeyer, doch versucht er eine ornamentale und farbige Annäherung an die Gebäude Niemeyers. Derart, dass seine Gegner das Edifício Bretagne als ein „von Oscar Niemeyer entworfenes Barbiehaus“ bezeichnet haben. Das selbe Gebäude wurde übrigens vom Wallpaper-Magazin als jeniges welches beschrieben, indem es sich seinerzeit weltweit am besten leben lassen sollte.

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Zweiterer, der Herr Heep, stark von Bauhaus geprägt und Mitarbeiter von Corbusier, zeichnet sich verantwortlich für zwei bemerkenswerte Gebäude. Das Edifício Lausanne (1950) in Higinópolis (siehe Bild ganz oben), berühmt für die Farbgebung der Fassade mit den Holzfensterläden und das Edifício Italia im Centro (1965) – zweitgrößtes Gebäude der Stadt mit 165m, direkt neben Niemeyers „Copan“, touristische Sehenswürdigkeit. Letzteres wohl eher wegen der auf dem Dach ansässigen Bar + Restaurant mit fantastischem Ausblick.

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Ein Rundgang durch Higinópolis ist mit einer architektonischen Zeitreise ins São Paulo des 20 Jhds zu vergleichen, da jedes Jahrzehnt hier seine deutlichen Spuren hinterlassen hat. Higinópolis war immer schon reich und intellektuell und das ist es auch heute noch – also die perfekte Voraussetzung für die Erschaffung von Besonderem. Daher darf man wohl besonders gespannt darauf sein, welche zukünftigen Klassiker dort gerade entstehen. pe

DONA YAYÁ

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In Bixiga steht das Haus der Dona Yayá. Haus ist gut gesagt, eigentlich ist es ein amtliches Herrenhaus, das sich früher inmitten einer Fazenda befand – heute ist nur noch ein kleiner Garten übrig. Es gehört der Universität São Paulo und die hat dort das Zentrum für den Erhalt der Kultur untergebracht. >>> Centro de Preservação Cultural

Wirklich interessant ist die Geschichte von Yayá, die eigentlich Sebastiana de Melo Freire hieß, 1887 geboren wurde und zu einer aristrokratischen und auch politisch sehr bedeutenden Familie in São Paulo gehörte. Das Leben, oder sagen wir die Umstände, oder sagen wir die Verschwörung – letzteres ist nicht bewiesen, wird jedoch vermutet –  haben ihr Leben zu einer Tragödie gemacht.

Es begann mit einer Todesserie, die Yayás Familie beinahe völlig eliminierte: Eine Schwester erstickte, die Andere starb an einer Infektion. 1899 starb die Mutter, da war Yayá 12 Jahre alt. Zwei Tage später folgte der Vater. Im Jahr 1905 dann der nächste Schlag: Ihr Bruder, bei dem eine geistige Erkrankung diagnostiziert wurde, stürzte sich auf einer Schiffsreise nach Buenos Aires ins Meer und starb ebenfalls.

Somit war Yayá die einzig Überlebende der Familie und erbte ein gewaltiges Vermögen. Untergebracht in einem stattlichen Haus in São Paulo lebte sie das Leben der Bohème, veranstaltete Abende mit ihren Freunden, widmete sich der Fotografie, soll angeblich reichlich Verehrer gehabt haben, die sie aber alle ablehnte, da sie eine tragische und unerwiderte Liebe mit Edu Chaves verband. (Zur Info: Chaves war ein junger Flieger, der als Erster die Strecke São Paulo – Rio ohne Tankstopps versuchte – damals ein ordentliches Abenteuer mit Anspruch auf Heldenstatus. Geschafft hat er das am 5. Juli 1914)

Im Jahr 1918, Yayá war 31 Jahre alt, zeigten sich Symptome einer möglichen Geisteskrankheit. Sie versuchte einen Selbstmord und wurde daraufhin in einem Sanatorium untergebracht, das aber sehr bald als ungeeignet angesehen wurde, sie auf Dauer zu beherbergen. Daher erwarb man als Wohnsitz ein leerstehendes Herrenhaus in Bixiga. Gleichzeitig entbrannte ein Streit um Vormundschaft, die Verwahrung ihrer Vermögenswerte und es gab eine Reihe von Gerüchten und Skandalen.

Anerkannte Psychiater Brasiliens wurden herbeizitiert, um Yayás Geiseszustand einzuschätzen und man kam überein, dass es sich bei ihrer Erkrankung um eine Form der Schizophrenie handeln müsse, die sich in einer Weise zeigte, sich selbst zu verletzten, gegen Wände zu laufen … kurz und knapp: Eine Gefahr für sich und Andere. Daher wurde sie isoliert und eingesperrt. Das Herrenhaus wurde ihren Bedürfnissen angepasst mit speziellen Bädern oder splitterfreien Fenstern, die nur von außen zu öffnen waren. Sie blieb bis zum ihrem Tod 1961 komplett isoliert – 36 Jahre lang. Ihr Vermögen, größtenteils Immobilien der Familie, hinterließ sie der Universität São Paulo.

Heute wird vermutet, dass ihre Isolierung primär dem Zweck diente, sie aus dem Weg zu schaffen, um statt ihrer in eine Machtposition zu kommen und den Zugriff auf ihr Vermögen zu erlangen.

Wahnsinns Geschichte, oder? Ich finde, das ist ein Filmstoff. pe

VIRADA CULTURAL

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Letztes Wochenende befand sich São Paulo in einem kulturellen Ausnahmezustand. Das Ganze nennt sich Virada Cultural und ist prinzipiell mit dem damaligen Kölner Ringfest zu vergleichen, nur dass in São Paulo zusätzlich die klassischen Orchester, Ballett- und Theaterensembles auftreten. Und natürlich ist alles umsonst, was dann ausnahmsweise allen Teilen der Bevölkerung die Möglichkeit eröffnet, an einem kulturellen Event teilzuhaben – und gute Geschäfte zu machen – siehe das Verkaufen und Wiedereinsammeln von Dosen.

Da São Paulo etwa 20 Millionen Einwohner hat, ist die Sache eine Spur größer, hier Zahlen: 1000 Veranstaltungen, 100 Veranstaltungsorte, davon die meisten im Centro, 13 Bühnen, 7 Pistas, etwa 3 Millionen Besucher, 24 Stunden.

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Yep, 24 Stunden dauert der Veranstaltungsmarathon, der samstags um 18h beginnt und dann ohne Pause bis sonntags 18h zelebriert wird. Für den Brasilianer ist es nicht unüblich, die Nacht über zu feiern (siehe Karneval im Sambodromo), daher ist auch tatsächlich 24 Stunden lang die Innenstadt granatenvoll – wie übrigens irgendwann auch die Leute dort 😉

Besonders schön war es, mal nachts im Centro umherzulaufen. Normalerweise für uns ein NoGo, weil es viel zu unsicher ist. Doch wenn man sich die Straßen mit 3 Millionen Anderen teilt? pe

Hier der offizielle Trailer zum Event

1x FRADIQUE UND ZURÜCK

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4 Tage in der Woche mache ich mich entweder per Bus oder zu Fuß auf in den unteren Teil von Pinheiros, um dort entweder Geist oder Körper zu ertüchtigen. Jetzt könnte eigentlich schon wieder der kleine Diercke herbeizitiert werden, aber ein Link auf Google Maps ist in diesem Fall einfacher.

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Vor einer Woche habe ich die Kamera mitgenommen und in der Galerie befindet sich nun unser Lieblingsviertel fotografisch mit Erläuterungen! Wie lange es noch die charmante Mischung aus Groß und Klein, Hoch und Niedrig, Teuer und Billig gibt, ist leider nur eine Frage der Zeit. Die alten Häuser werden sukzessive abgerissen um Platz für neue Condominios und damit mehr Wohnraum zu schaffen. pe

DER KLEINE DIERCKE

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Schon einige Male habe ich davon erzählt, dass wir kurz ans Meer gefahren sind und damit ihr euch das alles mal besser vorstellen könnt, gibts heute eine Karte zur Ansicht.

Auf der oberen Karte seht ihr den Großraum São Paulo – hier leben etwa 20 Mio. Menschen. Die Stadt erstreckt sich über eine Fläche von 60 x 80 Quadratkilometern und liegt auf einem Hochplateau (ca. 800m über NN). Vom Zentrum bis zur Küste sind es ca. 80 km – das heißt, die Strecke ist bei normalem Verkehr in einer Stunde zu schaffen.

Um an die Küste zu gelangen, durchquert man die Serra do Mar – den atlantischen Küstenurwald, der unter Naturschutz steht und vor São Paulo bis zu 1200m hoch aufsteigt. Ihr könnt euch denken, wie steil es demnach runter ans Meer geht.

Auf der unteren Karte seht ihr die Küstenregion. Von Santos, der Hafenstadt mit den Wackelzahnhäusern, habe ich ja schon erzählt. Ebenfalls von Guarujá – das war das verregnete Wochenende. Dieses Mal gehts um den südlicheren Teil.

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Praia Grande wird der Ort genannt – ist aber auch Synonym für den gigantischen, geraden Strand, der 37km lang sein soll. Im Sommer wimmelt es nur so von Menschen, aber in dieser Jahreszeit ist es schön leer und weitläufig, daher fein für ausgedehnte Strandspaziergänge. Dennoch dürfen die Tinnefverkäufer nicht fehlen und auch die Strandwagen-Gastronomie funktioniert bestens, damit der Brasilianer nicht auf sein Choppé gelado oder einen Caipirinha verzichten muß. Das wollten wir übrigens auch nicht 😉

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2 Brücken verbinden Praia Grande und São Vicente – wir haben die kleinere und ältere genutzt, um auf die andere Seite nach São Vicente zu gelangen. Die Stadt selber ist nicht sooo interessant, daher sind wir schnurstraks hoch auf eine Landzunge gefahren, von der aus man einen tollen Blick auf die lange Bucht von Santos haben soll. Praktischerweise befindet sich ganz oben auch ein Restaurant und ein Aussichtspunkt, gestaltet von Herrn Niemeyer, der ja an keinem neuralgischen Punkt in Brasilien fehlen darf. Ob dieses Bauwerk allerdings eines seiner gelungensten Werke ist, na ich weiß nicht?

Die Aussicht ist wirklich spektakulär, auch wenn sie am besten vom Restaurant aus zu genießen ist, was natürlich heißt, sich dort hinzusetzen und etwas zu verzehren, was sich die Gastronomen natürlich etwas kosten lassen – daher besser dort nichts essen. Aber so what – man kann ja auch „naturbreit“ werden 😉 pe

ZG (CERVEJARIA & FRUITOS DE MAR)

Da sind wir ganz zufällig gelandet. Eigentlich stand ein Besuch des Aquariums auf dem Plan. Nicht weil wir die absoluten Fischfreaks sind, sondern eher, weil wir davon ausgegangen sind, dass es dort WARM ist. Nach zwei Wochen Regen und Kälte ohne Heizung braucht man: WÄRME!!!

Na jedenfalls hat sich unser Navi verhaspelt – war wohl ein doch ein „Eingabefehler“ und so haben wir unser Ziel vor einer Autowerkstatt in Itaim Bibi erreicht. Das Aquarium war auf der anderen Seite der Stadt. Wieder zurückfahren? Neee! Daher Not/Tugend/Planänderung und von innen wärmen: Essen!

Das ZG – warum das so heißt ist mir überhaupt nicht klar – hat den Charme einer italienischen Markthalle. Hier muß man Fußball gucken – am besten Italien/Brasilien! Die Beamer und Leinwände geben Anlass zur Vermutung, dass das hier auch regelmäßig getan wird. Überall wuseln Kellner, es ist irre laut und urgemütlich. Es gibt eine Karte mit zig Bieren, die dort auch mittags schon reichlich konsumiert werden und genau ein Gericht, das mündlich offeriert wird: Fisch mit einem Drumherum, bestehend aus Scampis, Gemüse, Salat, Reis, Pürree, Farofa (geröstetes Maniokmehl), scharfen Soßen und auf Wunsch Bohnensuppe. Einfach, viel und sehr köstlich!

Der Patrone – zumindest macht er den Eindruck – wacht über allem, palavert und flirtet hier und dort, dirigiert seine Kellner und ist natürlich außerordentlich wichtig. Er sieht selbst aus wie ein dicker Karpfen und passt großartig in das Ambiente. Der ganze Spaß hat uns umgerechnet 36 RS gekostet – das sind 6,50€ pro Nase. Wir kommen wieder! Und: Wir wollten Fisch. Und hatten Fisch. pe

CENTRO


Sonntag: Unser erster Trip in die Altstadt von São Paulo. Hier prallen Welten aufeinander. Es gibt wunderbare Gebäude aus dem Ende des 19.Jh, die zum Teil renoviert sind, leider aber größtenteils verfallen. Ansonsten wird das Stadtbild von mehr oder weniger tristen und heruntergekommenen Hochhäusern geprägt. Die Altstadt muß einmal sehr schön gewesen sein, doch das kann man jetzt nur noch ahnen.

Leider ist es auch nicht ganz ohne, die Altstadt zu besuchen, da hier die Kriminalität sehr hoch ist. Daher hat uns Christian, ein Kollege von Jo begleitet, der sich gut auskennt, da er schon lange in São Paulo lebt. So wusste er auch, wo es gefährlich ist und man besser nicht aus dem Auto steigt und wo man relativ sicher herumlaufen kann.

Wir haben den Complexo Cultural Estaçao Júlio Prestes besucht. Zentrum ist der alte Bahnhof der Stadt Estação da Luz. Im Bahnhof selbst ist es sicher – drumherum wird einem schon mulmig, denn wie warscheinlich auf allen Bahnhöfen dieser Welt versammeln sich dort alle, die Drogen, Geld oder wer weiss was suchen. In der Nähe des Bahnhofes gibt es direkt einen Zweiten. Auch der ist in Betrieb, beherbergt aber zusätzlich einen Konzertsaal, den Sala São Paulo. Merkwürdige Vorstellung, auf der einen Seite des Gebäudes klassische Musik zu hören und auf der anderen Seite das Quitschen der Züge? Aber funktioniert wohl.

Direkt an den Bahnhof schließt sich die Estação Pinacoteca an. Das Gebäude war während der Militärdiktatur (1964-1985) der Ort, an dem Tausende von Menschen verhört und gefoltert wurden. Und verschwunden sind. Daher hat das Gebäude in Brasilien eine traurige Berühmtheit. Dort ist jetzt das Memorial da Resistênca. Die Ausstellung ist sehr bedrückend, da man die Räume wieder so hergerichtet hat, wie sie während der Diktatur benutzt wurden. Man begeht die Zellen der Gefangenen, liest Inschriften auf den Wänden und kann, sofern man portugisisch versteht, Tondokumente von Zeitzeugen hören. Dazu jede Menge Filmmaterial ansehen. Sehr gut gemacht – für uns halt leider kaum zu verstehen, da es keine englische Übersetzung gibt.

Zu dem Complexo Cultural Estaçao Júlio Prestes gehört auch ein Park mit tollem, alten Baumbestand und vielen Skulpturen, der Parque da Luz. Vor einigen Jahren hätte man einen Spaziergang dort warscheinlich nicht überlebt, doch es hat Bemühungen gegeben, den Park wieder sicher zu machen. Es gibt Wachen und so bleibt man relativ geschützt.

An den Park schließt sich die Pinacoteca do Estado an, das älteste Museum der Stadt. Von außen eher eine Ruine, aber innen eine Ausstellungshalle mit beindruckender Architektur. Dort findet man Kunst aus dem Bundesstaat São Paulo, eine Mischung aus Kunst aus dem 19. Jh und der Moderne. Wir hatten nicht viel Zeit, alle Ausstellungen zu sehen, holen das aber sicher bald nach, wenn es „ausnahmsweise“ mal wieder regnet … gerade scheint nämlich die Sonne! 🙂

Gerne hätten wir an unserem ersten Tag im Centro noch mehr angesehen, aber es wurde langsam dunkel und somit Zeit, die Altstadt zu verlassen. Denn bei Dunkelheit wollte auch unser Begleiter lieber im Auto bleiben. pe

>>> Website der Pinacoteca

PAULISTA VON OBEN

Höher gehts nicht in São Paulo, es sei denn, man besteigt den Helikopter. Das ist die Avenida Paulista: Bankenmeile und höchste Stelle der Stadt. Die Straße ist wie eine Schneise und teilt die Stadt nicht nur geographisch, sondern auch sozial: Auf der einen Seite Jardins mit seinen Villenvierteln, auf der anderen Seite gehts runter ins Centro. Die großen Masten auf den Dächern sind nachts zum Teil in quitschbunten Farben beleuchtet und von weither sichtbar. pe

MOTORBOYS

Wie die Heuschrecken und man kann nicht Augen genug haben!!! Aber die Motorboys sind die einzigen, die es halbwegs schnell schaffen, durch die Stadt zu kommen. Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass ihnen auf den meist dreispurigen Straßen der schmale Streifen zwischen linker und mittlerer Spur gehört. Das bedeutet: immer schön Abstand halten und beim Spurwechsel am besten den Beifahrer bitten, die Hand herauszuhalten, damit die Jungs das mitkriegen. Denn selbst bei Stau sausen die mit ca. 50 Sachen durch die Autokolonnen. Leider gibt es daher auch täglich ca. 8 Tote.

Neuerdings gibt es die Regelung, dass nur noch eine Person pro Motorrad erlaubt ist. Funktioniert super, wie man sieht 🙂 Das Gesetz ist erlassen worden, da der Beifahrer bei Raubüberfällen auf der Straße derjenige mit Knarre ist. Das hat riesen Proteste und einen tagelangen Streik gegeben – und da stand S.P. still – keine Lieferungen, keine Post, kein Fastfood – nix hat mehr geklappt. Seitdem sehen das alle wieder locker! pe

TAG AM MEER

Eigentlich waren es drei, aber der Samstag letzter Woche gilt! Wegen des schönen Wetters. Und des Strandes! Von São Paulo fährt man etwa 2-3 Stunden zu den ersten schönen Stränden. Davor ist es doof, weil die Küste um Santos herum zwar eigentlich schön, aber voller chemischer Industrieanlagen ist! Und der Brasilianer hat es mit dem Umweltschutz ja nicht sooooo!

Wir haben einen der „Bähner-Spots“ aufgesucht – so nennt Jo immer die Orte, die ich schon von meinen vorherigen Besuchen kenne und ihm unbedingt zeigen muß – und waren in Jureia und Juquehi. Ich brauche diese Déjà-Vu’s und stehe dann immer vollkommen fasziniert an den Orten und muß ständig sagen: Ich hätte ja nieeee, geglaubt, dass ich hier nochmal hinkomme. Jo kann das übrigens lippensynchron 😉

Auf dem Weg dorthin haben wir die eigentlich Schnellspurtstrecke Rua dos Imigrantes verpeilt und sind auf der Rua Anchieta gelandet. Eigentlich tun sich die beiden Straßen nix, die Anchieta ist sogar schöner gelegen, aber dort quält sich der Fernverkehr die Serpentinen herunter während man auf der anderen chic und dreispurig mit 120 ans Meer brettern kann. Um ans Meer zu kommen, muß man über ein Bergmassiv. Dieses ist gleichzeitig auch die Wetterscheide und das quasi via An-und Ausschalter. Echt abgefahren – du fährst bei schönster Sonne – vor dir wirds neblig – knipps biste in der dicksten Suppe und hast  fortan und am Meer schlechtes Wetter, währende in S.P. die Sonne scheint.

Na ja, aber dafür hatten wir ja den Samstag! Ich möchte nicht klagen, aber der Sand überall, ständig eincremen – Nein :-): SONNE! STRAND! LECKER  PLATZ MIT LIEGE! LECKER WELLEN – HOHE WELLEN – SEHR HOHE WELLEN! LECKER CAIPIRINHA! LECKER  WELLENREITER/INNEN! LECKER GLOTZEN! ALLES GROSSARTIG!

Sonntags dann wieder eher trübes Wetter, Daher haben wir uns Rädschn geliehen, die besser funktioniert haben, als sie aussahen, und sind über Schlammpisten orteweise an der Küste weitergefahren. Das war schon ein bißchen Urwaldfeeling und das zurecht – die Wälder dort gehören zum Mata Atlântica, dem atlantischen Regenwald, der sich die gesamt Ostküste hochzieht und heute zum Teil unter UNESCO-Schutz steht.

Nachmittags zurück ins Städtchen S.P. und natürlich unbedingt via Imigrantes. Daraus wurde dann Landstraße, weil die Stimme von Otto – unserem elektronischen Zurechtfinder „der hat ja keine Ahnung“ nix galt und Monsieur Klein seiner inneren Stimme – sprich Eingebung gefolgt. Kommt schon mal vor. Und ist ja schön- so eine Landpartie von 250 km 🙂 Bis auf den Stau. Und die Polizeikontrollen.

Uns haben sie 2x kontrolliert, aber nix beanstandet. Dennoch – da geht schon ordentlich der Puls, weil man ja nie weiß, ob die Jungs gute Laune und „schon ausreichend nebenher verdient haben“, wie böse Zungen behaupten. Außerdem sehen die wirklich gefährlich aus: blaues Hemd, schwarze Weste, schwer bewaffnet, schwarze Hose, hohe Lederstiefel, Helm, dicke Brille –  Militärpolizei. Angeblich gibt es kein Pardon, wenn etwas nicht stimmt, man kann aber wohl verhandeln … trotzdem: besser den aufgefüllten Feuerlöscher unterm Sitz und auf jeden Fall alle Papiere dabei haben. Und freundlich sein! Aber das ist nach einem Wochenende am Meer ja nicht soooo das Problem 🙂 pe

TAG AM SEE

 

Wir wollen ja nicht in Interlagos wohnen, aber so ein Tag am See: bitte gerne! Man kann dort Boote mieten und sich eine Weile über den See tuckern lassen. In der Mitte des Sees gibt es eine kleine Insel: Isla de Makakas, auf der wilde Affen leben. Die kleine Insel darf nicht betreten werden, weil Naturschutz, aber die Bootsführer haben ihre Tricks, um die Affen anzulocken. Füttern dann wohl zeitweise inklusive, obwohl man ja nicht auf die Insel darf … Ähm???

Wir haben auch tatsächlich einen Affen gesehen – siehe Jo’s Suchbild: „Doch, da is einer drauf!“ Yep, is auch einer drauf! 😉 Dazu: Wir haben eine neue Kamera weil Frau Bähner, die Königin im Sachen verlegen, letzte Woche in einem Taxi die Kamera „verlegt“ hat. Dieses Mal wird die Kamera wohl nicht wie von Zauberhand zurückkommen, wie diverse andere Gegenstände – Räusper – daher hats jetzt eine Neue mit verstecktem Zoom ;-)!

Wirklich bemerkenswert war die Skyline von São Paulo ganz weit hinten. Die Stadt ist schon irre! pe

EMBU

Embu ist ein kleines Städtchen in der Nähe von São Paulo. Dort haben sich Künstler, Kunstgewerbetreibende und eine Art Antiquitätenhändler niedergelassen. Am Wochenende ist Markt und dann geht da ordentlich die Post ab, denn neben den Paulistas, die dort allen möglichen Schnickschnack fürs Heim erwerben, ist Embu auch eine feine Touristenattraktion.

Wir haben uns diesmal Möbel angesehen und da gibts schöne Sachen für wenig Geld – zumindest wenn man das mit Deutschland vergleicht. Richtige Antiquitäten findet man dort warscheinlich nicht, aber die Möbel werden auf alt getrimmt, indem die Hölzer angeschliffen, mit Farbe bemalt und dann wieder abgeschliffen werden. Das verschiedene Male mit verschiedenen Farben und schon hats einen scheinbar alten, verwitterten Schrank, Stuhl oder Tisch. Hört sich vielleicht merkwürdig an, aber die Sachen haben was und da wir noch einen Tisch (etc.) brauchen … 😉

Richtig heftig ist allerdings der „Landhausstil“ à la Ponderosa oder so ähnlich. Wagenräder, schiefe Balken und fette Stämme in dunkel und massiv werden zu Sesseln oder Schränken verarbeitet. Keinen davon kann man einen Millimeter bewegen – also wenn’s steht, stehts. Aber die Brasilianer scheinen das toll zu finden. Hmmm?

Tinnef musste aber neben all dem Möbelgucken trotzdem her. Here we proudly present: Elsa!

Keine Ahnung, warum Perlhühner hier als Aufsteller chic sind – muß ich mal recherchieren – aber wir konnten auch nicht ohne 😉 pe

STREET ART

Pinheiros und Villa Madaleina sind eine wahre Fundgrube in Sachen Street Art. Habe meine Hemmungen, mit gezückter Kamera durch die Straßen zu gehen, mittlerweile ad Acta gelegt. Es macht auch gar keinen Sinn, sie wegzuräumen, denn alle paar Meter kommt was Neues, Spannendes an den Wänden.

São Paulo hat sich, aufgrund des positiven Feedbacks auf diese Art der Kunst, als Graffiti-Hochburg einen Namen gemacht und viele der Künstler stellen bereits international aus. Damit ist das Sprühen hier im Großen und Ganzen legalisiert – gute Sache!

Wenns euch interessiert, gebt mal im Internet „Street Art in São Paulo“ ein – da findet ihr reichlich Info und Bildmaterial. Oder schaut ab und zu in unsere Galerie Street Art, da poste ich regelmäßig neue Fundstücke. So wie jetzt 😉 pe

WINTERSPIELE

Ca. 180 km von São Paulo entfernt liegt auf 1.700 Metern das malerische Städtchen Campos do Jordao. Dort ist es, wo alljährlich der Paulistano Winter spielt. Es muß sich ja auch lohnen, Pelze, dicke Pullis, Schals und Mützen zu kaufen!

Demzufolge ist Campus do Jordao architektonisch schweizer-  oder österreichischen Alpendörfern nachempfunden: Fachwerk, hübsche Giebel, Zierbalkone und jede Menge Schnitzereien. Und um den winterlichen Eindruck zu komplettieren, gibt es überall Fondue, Raclette und die beliebte heiße Schokolade – sprich „schokolatschie kentschie“, auf Wunsch mit Schuß.

Das alles bei ungefähr 20 Grad. Auweia! So dachten wir auch, aber da aufgrund eines langen Wochenendes dank Feiertag  an der Küste angeblich die Hölle los sein sollte, haben wir beschlossen, uns antizyklisch zu verhalten und ins Landesinnere zu fahren, um uns das mal anzuschaun.

Es war auch dort die Hölle los und mit Ach und Krach und viel Gekurve haben wir leztendlich nach 5 Stunden Fahrt (3 Stunden regulär inklusive Stau / 2 Stunden Hotelsuche) die sehr schöne kleine Pousada Benevento etwas außerhalb gefunden.

Abends mußte dann der Klassiker her: Fondue (das dann ein Raclette war) im angesagtesten Laden des Ortes: Baden-Baden mit eigener Brauerei und einer deutsch-alpinen-brasilianischen Küche. Wir haben uns nach anfänglichem Unbehagen prächtig amüsiert! Anders lässt es sich wohl auch kaum aushalten.

Die Paulistanos hingegen meinen das ernst! Dresscode Damen: Dicker Rollkragenpulli, knallenge Hose und hohe Winterstiefel, gerne auch Handschuhe oder Mütze. Die Herren geben sich sportlich alpin.

Daher am nächsten Tag: Flucht und raus in die Natur – wenn schon Berge, dann wandern. Der Brasilianer wandert nicht soooo gerne – besser ist es, direkt mit dem Auto an den Ort des Geschehens zu fahren – warum anstrengen, wenn es auch anders geht uns man mit 80 Sachen über Bergpisten brettern kann? Ergo haben wir das mit dem Wandern gelassen – jeder Weg, den wir ausprobiert haben, führte nur zur nächsten Sendemaststation und dann Sackgasse – und sind auch mit dem Auto ganz nach vorn gefahren.

Das Resultat war am nächsten Tag ein Aufenthalt in einer Autowerkstatt, weil wir uns eine ordentlich Schraube in den Reifen getrieben haben. Von geplatzten, zerschlitzen oder platten Reifen lebt dort übrigens eine ganze Branche 😉

Die Tour war dennoch sehr schön. Ziel war der Pedro do Bau, ein cooler Berg etwa 20 km von C.d.J. entfernt. Hin ging es über Serpentinen durch den Mata Atlantica – also den „Urwald“, zurück dann durch ein hügeliges Gebiet, das von Gauchos bewohnt und bewirtet wird mit dem kleinen Ort São Bento do Sapucai im Zentrum.

Dahin werden wir das nächste Mal fahren – Gegend, Ort sowie „Cowboys“ fanden wir einfach nur klasse. Ein bißchen Texas in Brasilien, aber ursprünglich, da die Menschen dort, dereinst Bauern aus Argentinien bzw. Chile ihre traditionellen Jobs ausüben: Pferdezucht, Rinderzucht und Ackerbau (hier Bananen – weiter westlich Richtung Minas Gerais Kaffee). Keine „Cowboy-Spiele“, wobei man das dort sicher auch ganz toll kann – wir werden berichten 😉 pe

GRAND PRIX

Am Sonntag wurde in Interlagos, wie ihr ja wisst, der große Preis von Brasilien ausgefahren. Und da Rubens Barichello, gebürtiger Paulistano, auch noch die Pole ergattert hat – er kennt die Regenverhältnisse hier ja bestens – sind wir davon ausgegangen, dass pünktlich um 14h die Stadt den Atem anhält, um in kleinen Bars und Lanchonetes das Rennen mit viel Gebrüll und TamTam zu verfolgen. Also nichts wie hin und dem Trubel in einer typisch brasilianischen Bar beiwohnen. Haben wir als feieraffine Kölner gedacht!

Das Ergebnis war leider eher ernüchternd, denn irgendwie schien das hier keinen großartig zu interessieren. Und die, die es interessiert hat, haben für teuer Geld (ca. 250 Dollar an den Start- und Zielplätzen) in Interlagos an der Rennstrecke gesessen. Wir konnten übrigens pünktlich nach Rennende den Feierabendverkehr der Haute Volaute am Himmel verfolgen – ein Helikopter nach dem anderen auf dem Weg zum Private Parking.

Na denn, im nächsten Jahr werden wir uns rechtzeitig um Tickets bemühen, um uns das mal von nahem anzusehen. Denn im TV? Nö! pe

PARANAPIACABA

Kann man leichter aussprechen, wenn man hinter Parana eine kleine Pause einlegt und dann Piacaba anschließt. Übrigens auch ein prima Wort mit sechs A’s für vertrackte Scrabble-Buchstabenklötzchen-Kombinationen. Aber eigentlich gehts ja um etwas ganz anderes!

Nämlich um unseren chicen Allerheiligenausflug gemeinsam mit Kollegen von Jo in die Serra do Mar, also in das Gebirge zwischen São Paulo und Santos, wo es nur so wimmelt von Regenwald. Dort wurde 1860 im Zuge der Industralisierung von einer britischen Gesellschaft, die es zur São Paulo Railway-Company gebracht hat, eine Bahnlinie als Verbindung zwischen Santos und São Paulo gebaut. Haltepunkt und Umladeplatz war das strategische perfekt gelegene kleine Örtchen Paranapiacaba mitten in der Serra.

Auf „Indio“ heißt der Ort: Platz um das Meer zu sehen –  nicht ohne Grund, denn eine tiefe Schneise am Ortsausgang bietet, sofern es keinen Nebel gibt, eine perfekte Sicht über das Küstengebirge Richtung Santos. Aber da haben wir den Salat: Es gibt nie „keinen Nebel“, denn durch die Schneise steigt der Nebel wie durch einen Kanal, konzentriert und strudelig in den Ort auf. Das hat eine ganz eigentümliche Stimmung zur Folge: Sonne, Nebelschwaden, spontaner Wechsel von hell zu dunkel, von warm zu kalt usw. – also perfekt, wenn man plant, Depression zu bekommen.

Und sehr spooky. Man hat das Gefühl – und nicht nur wegen des Nebels – im London Mitte des 19 Jhd. zu sein. Die Gebäude der Arbeiter sind nach britischem Vorbild erbaut: Dunkelrote Holzhäuser mit kleinen Vorgärten, rechtwinklige Straßen mit breiten Hauptachsen und schmalen Nebenwegen, Haustypen für die verschiedenen Schichten – Typ A für die Fremdarbeiter, Typ C für den Chefingenieuer, Clubhaus, Markthalle usw. Das Skurrilste ist allerdings der große Bahnhofsuhrturm zwischen den Gleisen – nur „Big Ben“ genannt.

Aufgrund seiner Eigentümlichkeit und Schönheit ist der Ort  zum Landeserbe erklärt worden und schickt sich derzeit an, in die Liste des UNESCO Welterbes aufgenommen zu werden. Für den Bereich Industrialisierung/Eisenbahn.

Wir werden den Ort auf jeden Fall noch einmal besuchen, denn wir haben noch nicht sooo viel gesehen und man MUSS eigentlich mit der Eisenbahn dorthin fahren. Eine direkte Linie gibt es allerdings erst ab Mitte November – daher wars diesmal das Auto – natürlich, wie hier üblich, mit einem feinen Stau der uns, gemeinsam mit einer analphabetischen Aushilfskellnerin um das Vergnügen gebracht hat, eine ausgedehnte Wanderung nebst Besichtigung zu unternehmen. pe

>>> zum Film

ULTIMO ADÉUS

Andere Länder, andere Sitten. Das gilt auch für Begräbnisstätten und daher lohnt es sich ja immer, im Urlaub auch mal einen Friedhof zu inspizieren – abgesehen davon, dass es dort meistens ruhig und friedlich zugeht.

Also wir auf den Cemitério São Paulo in Pinheiros direkt umme Ecke und mal gucken, wie der Brasilianer so begräbt. Mein lieber Scholli! Ganz schön heißblütig, die Herren Steinmetze! Da kann das mit der Besinnung ja durchaus in eine andere Richtung gehen.

Es sind wunderschöne Skulpturen zu sehen, wie die meistbesprochene São Paulos, das Ultimo Adéus von Alfredo Oliani (siehe oben). Die Einen sehen darin ein wunderbares Beispiel der ästhetischen Erotik, die Anderen empfinden es als Missbrauch der Grabeskunst. Uns gefällt’s! pe

ZWISCHEN DEN JAHREN

Auch wenn sich in diesem Jahr bei uns nicht so richtige Weihnachtsstimmung verbreitet hat, durfte der Weihnachtsspaziergang nicht ausfallen. Dies also geschehen am 1. Weihnachtsfeiertag – ein bißchen auch aus der Not eine Tugend, da das Auto am Morgen nahezu übergekocht ist und wir nur mit Müh und mit viel Wasser nachfüllen nach Hause gekommen sind.

Von Erzählungen wussten wir bereits, dass die Stadt zwischen den Jahren extrem leer sein soll, weil der Paulistano gerne die freie Zeit nutzt, um ans Meer zu fahren. Dennoch konnten wir kaum glauben wie leer leer ist. Als Beispiel hier die Avenida Brazil um 10 Uhr morgens – eine der großen Schneisen durch die Stadt und normalerweise um diese Zeit kein Durchkommen – auf 2 x 4 Spuren Stau!

Das Ziel unseres Spaziergangs am Nachmittag war der Ibirapueira-Park mit dem alljährlichen Weihnachtsbaum. Den hatten wir bereits ab September in der Aufbauphase wahrgenommen und uns immer gewundert, was die Tribüne an der Straße soll: Bis wir dann eines besseren belehrt wurden – keine Tribüne, sondern ein Baum. Aha!

Bei Tag würde man sagen: Groß! Und Nett! Aber der wirkliche Kick erschließt sich erst, wenn es dunkel ist: Das Ding rockt!

Den Film haben wir vom Dach des Hotel Unique aufgenommen. Hatte ja bereits erzählt, dass dieser Ort ziemlich großartig ist und somit war es naheliegend – im wahrsten Sinne des Wortes – nach dem Park schnell um die Ecke und dorthin zu huschen um ein-zwei … Caipirinha zu trinken und somit dem Sunset zu frönen! So ein Sunset kann ja sehr lange dauern 😉

So ihr Lieben, dies ist der letzte Blog für dieses Jahr! Wir ziehen uns jetzt gleich was Weißes an (macht man an Silvester angeblich hier so?) und schauen, wie man in São Paulo den Jahreswechsel feiert. In zwei Tagen sind wir dann auch raus und fahren nach Rio und ans Meer, so dass es bis zum nächsten Eintrag etwas dauern wird!

Euch wünschen wir einen famosen Rutsch ins neue Jahr und alles Gute für 2010! pejo

BOM DIA!

hny

Jetzt ist das neue Jahr schon 2 Wochen alt und ich melde uns mit einem Bild vom 01.01.2010 / etwa 0.05h zurück im blog! Ich hoffe, ihr seid gut in das neue Jahr gekommen und könnt bislang an euren Vorsätzen für 2010 festhalten 😉

Unser Jahr hat leider direkt mit einer Planänderung begonnen. Habt ihr vom Unwetter an der Küste Südbrasiliens gehört? Zwischen den Jahren und am Silvesterabend hat es so stark geregnet (eine halbe Badewannenfüllung auf 1 Quadratmeter in 1 Nacht – rechnet das mal hoch!), dass Flüsse über die Ufer getreten sind und es heftige Erdrutsche gegeben hat. Ein Dorf in Angra dos Reis wurde teilweise verschüttet, eine Pousada auf der Ilha Grande und Teile einer Favela in Rio. Bis heute haben die Behörden ca. 50 Tote gefunden – vermisst werden noch viel mehr Menschen.

Unglücklicherweise hatten wir genau dort, nämlich auf der Ilha Grande und eine Bergkuppe entfernt von der verschütteten Pousada ab dem 6ten 10 Tage Relaxurlaub gebucht. Glücklicherweise sind wir mit unseren Plänen, auf der Ilha Grande Silvester zu feiern nicht durchgekommen, denn es war entweder alles rappelvoll oder viel zu teurer weil Hauptsaison! Puuuhhhh!

Ein Kollege von Jo (Danke Christian!) hat uns an Neujahr, am Abend vor unserer Abreise telefonisch nahegelegt, mal das TV einzuschalten und dort haben wir dann die ersten Bilder der Katastrophe gesehen bzw. erstmalig davon gehört, was seit Tagen in der Gegend um Angra abgeht. Es war sofort klar, dass wir unseren Plan ändern werden. Denn auch wenn unsere Pousada nicht betroffen war – laut Aussage eines Mitarbeiters vor Ort liefe alles völlig normal – konnten wir uns nicht vorstellen, wie man in einer Region entspannte Freientage genießen kann, wo 5 Tage zuvor Menschen gestorben sind. Abgesehen von der Gefahr nachfolgender Erdrutsche. Geht nicht!

Ob es in ein paar Wochen oder Monaten geht, werden wir sehen. Die nicht ganz geringe Anzahlung haben wir nicht zurückbekommen und werden daher warscheinlich ein paar Tage über Karneval oder Ostern dort nachholen. Im Moment habe ich dazu sehr gemischte Gefühle, denn wir haben auf unserer Reiseroute entlang der Küste die Verwüstungen sehen können. Heftig!

Unser Urlaub war dann doch noch sehr schön. Wir haben Rio besucht, Parati und schöne Strände und Orte entlang der Costa Verde (der Küste zwischen São Paulo und Rio). Davon dann demnächst mehr! pe

RIO DE JANEIRO

Seit einer geschlagenen Stunde versuche ich bereits, Rio zu beschreiben. Und ich finde nicht die richtigen Worte, ohne mich in Platidüden zu ergehen. Das einzige Wort, das immer wieder in mein Hirn zurückkommt ist Energie 😀 Ich glaube, das ist das Besondere dort. Die Energie packt dich sofort und lässt alles easy werden, auch wenn es nicht wirklich easy ist – Armut begegnet einem auf jedem Schritt.

Aber wenn dann die Sonne scheint und alles in Bikini und Badehose an den Strand pilgert, um nach einem Tag voller Hitze und Samba sonnendurchströmt in der nächsten Bar bei Bier oder Caipirinha den Tag ausklingen zu lassen, ist das einfach Lebensfreude at its best.

So haben wir uns in den 5 Tagen in Rio einfach durch die Stadt treiben lassen. Die wichtigsten Sightseeingpoints sind auf den nächsten Besuch verschoben, denn zur Hauptreisezeit bedeutet eine Fahrt mit der Bahn auf den Corcovado etwa 2 Stunden Wartezeit – beim Pão de Açúcar ist das ähnlich.

Also ich kann euch nur empfehlen, selber mal hinzureisen (Natürlich mit StopOver in São Paulo ;-)). Am Besten im Herbst oder Frühjahr, denn das ist die optimale Zeit für Rio, weil es dann nicht ganz so heiß und relativ leer ist. Wir hatten jetzt im Schnitt um die 35 Grad (im Schatten) – das ist eine Ansage für sensible helle Haut. Und wenn ihr nach Rio kommt, leiht euch unbedingt Fahrräder aus. Die Küstenlinie ist mit super Radwegen ausgebaut und die Stadt auf diese Weise zu erkunden ist extrem gut! pe

FAVELA ROCINHA

Rocinha ist eine der größten Favelas an einem Berghang im Süden von Rio. Offiziell leben dort ca. 60.000 Menschen – inoffiziell mittlerweile um die 200.000. Passiert man den Eingang von Rocinha, gibt es eine sehr praktische Möglichkeit, über die einzige ausgebaute Straße in die Favela – oder besser ans Dach der Favela – zu gelangen. Man lässt sich von einem Motorboy hochfahren.

So war es auch bei unserer Tour. Morgens hat unser Guide die Leute in verschiedenen Hotels eingesammelt und dann fuhren wir mit dem Bus in den Süden. Unterwegs gab es schon die ersten do’s and don’ts:
1. Keine Fotos im ersten Teil der Tour.
2. Wenn der Guide einen Hinweis gibt, zur Seite treten und die Personen vorbeilassen.
3. Den Leuten nicht offensiv ins Gesicht schauen – könnte provozieren.

Nach der wilden Fahrt mit dem Motorboy, gings direkt rein ins Gewühl. Die Favela ist eine gewaltige Ansammlung von Hütten, teilweise aus Stein, teilweise aus „Grmpf“ und es gibt insgesamt 4 Wege, die den Hang hinab führen. Unsere Route war Rua No. 1.

Der Weg war abenteurlich: klein und gedrungen, irre viele Treppen, Berge von Müll und Verwesung an den Seiten und zwischendurch immer wieder kleiner Shops und Läden. Stromleitungen überall und natürlich wild angezapft. Genauso wie das Wasser, das aus dem Berg kommt und  ich weiß nicht auf welchen Wegen in die Häuser gelangt. Über die Kanalisation kann ich nur sagen: Es gibt sie wohl nicht. Wie also die Abwässer ins Tal gelangen … hmmm … ich hatte Flipflops an und kann Vermutungen anstellen.

Wir sind vielen Menschen begegnet – auch welchen, die Waffen getragen haben. Dennoch habe ich mich dort nicht unsicher oder gefährdet gefühlt. Im Kleinen wird in den Häusern und Läden sehr wohl Ordnung und Struktur erzeugt. Laut Guide leben die Leute „ganz normal“.

Wir haben einige Einrichtungen besucht: Das Atelier dreier Künstler, die auch online ihre Bilder vertreiben. Straßenverkäufer, die ihre selbstgemalten Bilder und Schmuck angeboten haben. Ein kleines Geschäft, indem wir Kuchen und anderen Süßkram kaufen und uns mit Getränken versorgen konnten. Und last but not least eine Kinderstation, wo Waisen versorgt werden bzw. Mütter Rat und Hilfe finden können.

Also im Inneren läuft das – es gibt sogar Internetanschlüsse und die Gesamtversorgung für alles, was man so alltäglich brauchen kann, ist gegeben – Banken, Friseure, Shops aller Art, Kirchen etc.

Dennoch: So viel Dreck und Müll, der einfach an den Hängen liegen bleibt. So viel Gestank – den Geruch werde ich immer erinnern können. So viel Baufälligkeit und Chaos, das es schwer zu glauben ist, dass Menschen dort leben können. Ein Ergebnis dieser Umstände ist die hohe Tuberkuloserate.

Was sehr spooky war: Als Touristengruppe den Menschen bei ihrem Leben zuzuschauen. Und umgekehrt. Das hat etwas Unangenehmes von Zoo und ich habe mir immer wieder versichert, dass es ok ist, denn die Einrichtungen brauchen das Geld, dass die Touristen da lassen. Am Tag besuchen etwa 4-6 Gruppen die Favela. Alle gehen die Rua No.1, so dass wir davon ausgehen, dass die Route sicher ist. Denn, wenn einem Touristen dort etwas zustossen würde, wärs vorbei mit den Besuchen und den damit verbundenen Einnahmen.

Puuuh, die Tour war heftig. Wenn ich mir vorstelle, dass in Rio etwa ein Drittel der Menschen in diesen Umständen lebt wundert mich kaum, dass die Kriminalitätsrate so enorm ist. Die Favelas werden von der Drogenmafia kontrolliert – das Kartell in Rocinha ist ADA (Amigos dos Amigos – Freunde der Freunde). Zur Kenntlichmachung der Machtverhältnisse wird das Kürzel an die Türen und Straßen gesprüht. Die Gang sorgt dafür, dass die Poliziei draussen bleibt, denn sie stört nur bei der Abwicklung der Deals. Gleichzeitig kümmert sie sich aber auch um die Favela und sorgt für sanitäre Einrichtungen etc. Nahezu jeder, der in Rocinha lebt, hat mehr oder weniger mit der ADA zu tun. Selbst schon die Kleinen, die, wann immer eine Touristengruppe durch die Favela geht, Drachen als Warnung für alle steigen lassen, jetzt vorsichtig zu sein. pe

Text Bild oben (Kinderstation der Favela):
Danke! Wir sind zusammen im Auftrag, die Welt durch Liebe umzuwandeln.

JAHR DES TIGERS

Am 14ten Februar beginnt offiziell das Jahr des Tigers laut chinesischem Kalender. Aber der asiatisch-stämmige Brasilianer ist da ja nicht sooooo, daher wurde das Ganze hier am letzten Samstag und Sonntag gefeiert. Ort des Geschehens: der Stadtteil Liberdade in der Nähe des Centros.

Liberdade ist das kulturelle Zentrum der größten Ansiedlung von Japanern außerhalb Japans und der Einfluß asiatischer Kultur ist überall in São Paulo spürbar. Es hält sich das geflügelte Wort: „Willst du in São Paulo einen Studienplatz haben, musst du erst einmal einen Japaner um die Ecke bringen.“ Ja, so ist das hier! Aber das Asiatische hat natürlich eine – auch für künftige Studenten – angenehme Seite:  japanische Restaurants mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis gibt es fast an jeder Ecke. Wir stehen besondes auf Rodizio – das bedeutet, du zahlst etwa 45 RS (18 Euro) und hast dafür „All you can eat“, zum Beispiel: gebratene Pilze (Shimeiji), Frühlingsröllchen, Temaki, Misosuppe, Lachshaut, Tempura, warme und kalte Nigiri, Californias, Sashimi usw. … hmmm, üppige und feine Sache!

Einen Teil dieser Köstlichkeiten gab es auch am Sonntag, als wir das Neujahrsfest besucht haben. Auf dem Praça da Liberdade waren, wie jedes Wochenende, jede Menge kleiner Stände aufgebaut mit allem Möglichen an Firlefanz und Gedöns – von billig-Asia-Schrott bis hin zu durchaus Brauchbarem, wie zum Beispiel Kochgeschirr aus Bambus. Den Markt säumen zig Asialäden mit einer sehr guten Auswahl. Dort versorge ich mich immer, wenn es mal wieder eine Thom Kha Gai oder ähnliches geben soll – KnickKnack 😉

Anpfiff war um 13 Uhr, dann nämlich, als eine kleine Parade mit Drachen und Kriegskunstdarbietungen (KungFu und wie sie alle heißen) die Vorbereitung zum Countdown und Neujahrs-Feuerwerk gegeben haben, das pünktlich um 14 Uhr abgeschossen wurde. Na ja, am hellichten Tag … aber geknallt hats fein 😀 Warum das allerdings nötig war, wenn der Tiger erst am 14ten seine Krallen schärft, weiß ich nicht.

Appropos Tiger: hier was uns 2010 erwartet:

Während das Jahr 2009 vom trägen Büffel dominiert wurde, der Zähigkeit, Disziplin und Geduld verlangt, sprüht das Jahr des Metall Tigers nur so vor Energie und Abenteuerlust. Entsprechend unruhig werden die Zeiten sein, die da auf uns zukommen. So manche emotionale Achterbahnfahrt ist zu erwarten und so manche riskante Transaktion wird uns in Aufregung versetzen. Aber wer mit Risikofreude ausgestattet ist und turbulente Abwechslung liebt, wird das Jahr des Tigers schätzen. Zum Mut und der Verwegenheit des Tigers gesellt sich noch die Schärfe des Elements „Metall“, was die Unruhe unterstreicht und ihr eine heftige Note verleiht. Sturm ist also angesagt! Es kann durchaus zu radikalen Entscheidungen kommen, im positiven Sinne zu mutig entschlossenem Durchgreifen und Umsetzen. War 2009 ein gefühlter Monsun ist 2010 ein schneidender Polarwind.

Na denn, warm anziehen! Aber das müsst ihr in Deutschland ja gerade sowieso … ähmm Räusper sorry 😉 pe

CARNAVAL

Ihr seht schon – det hab ick mit C und A geschrieben – machen die hier so (Den Rest, also wie man das nennt, was in der Folha de S.P. so plakativ abgedruckt ist, lerne ich gerade – daher die wilde Beschriftung!) Aber nicht nur die Schreibweise von Karneval ist anders, eigentlich ist hier alles anders bis aufs Bier trinken, Singen, Tanzen und Knutschen – letzteres wohl besonders in Rio sehr ausgiebig, wie auf Spiegel online zu lesen war.

>>> Artikel


K: 6 Tage / SP: 2 Wochen
Der Brasilianer kann es wohl nicht abwarten, bis Karneval anfängt und deswegen beginnt er einfach etwas früher ;-). Etwa 2 Wochen lang gibt es die Paraden der Blocos in den Stadtvierteln. Das sind Gruppen mit Trommlern und Tänzern, die jedes Jahr einen anderen Song einstudieren und den bis zum Ohr auswringen hören. Ist vielleicht so ’ne Trance-Geschichte aus Afrika? Zufällig sind wir in Vila Madaleina in eine solche Parade geraten. War so lustig, dass wir einen Tag später die Vorbereitung der Banda Redonda angeschaut haben – das ist einer der ältesten Blocos und bezieht seine Mitglieder hauptsächlich aus dem Theater-Umfeld – entsprechend waren die Besucher – von total normal bis zigfach operierter Transe war eigentlich alles dabei. Hier die Filme. Achtung: die Soundqualität ist ziemlich lausig – einfach drüber hinweghören!

K: 1 Motto / SP: zig Motti
Neben den Blocos gibt es die großen Sambaschulen der Stadt, die ihre Parade im Sambodromo veranstalten. Für jedes Jahr überlegt sich die Schule ein Motto, welches möglichst sponsorentauglich sein sollte, um finanzielle Unterstützung der Werbeindustrie zu erhalten. Jedoch Obacht – Sponsor und Motto sollten nicht zu ähnlich klingen, sonst gibt es Abmahnung oder Verbot. Wie dieses Jahr: Die Schule Rosas de Ouro (goldene Rosen) hatte sich für das Motto Kakao entschieden und als Sponsor die bekannte brasilianische Schokokette CacaoShow ergattert. Oder war es umgekehrt – die Schule ist 7-facher Champion ??? Jedenfalls hieß das offizielle Motto Cacao & Show … und abputzen … die mussten neu ran! Daraus wurde dann: O Cacau é Show“ (Der Kakao ist eine Show!) Naja, auch sehr ähnlich … aber der Brasilianer ist das ja nicht soooo und die durften starten! Die Schule hat übrigens wieder gewonnen. Leider haben wir dieses Jahr keine Karten für das Sambodromo gehabt, aber mit etwas Glück können wir uns morgen die Desfile dos Campeões, also die Parade der Gewinner dort anschauen. Werde berichten!

K: -5 °C / SP: 35 °C
Logisch, dass da die Kostümwahl etwas anders ausfällt. Rechts das Kostüm der Sambakönigin Viviane Araúju aus Rio. Da waren im Vorfeld viel Fleißarbeit im Studio und sicher einige „Abnäher“ von Nöten 😉 … aber gelohnt hat es sich! Die Dame ist bekannt für ihre Rückseite.

K: deutsches Liedgut / SP: Samba
Das Mitsingen ist unheimlich wichtig – das sind sich die Kölner und Brasilianer total einig. Und so, wie in Köln jeder den Text kennt, ist das auch hier. Es gibt die traditionellen Samba-Carnaval-Songs, aber wohl auch Neues. Aber so oder so – wir hatten da Auszeit. Und haben heimlich: „In d’r kaygass numero noll“ mitgesummt … vielleicht macht mal einer eine brasilianische Variante?! 😉

K: Wie war es denn bei euch?
Gab es dieses Jahr Glühwein statt Kölsch? Wurden die bösen, bösen Heizpilze doch wieder ausgepackt? Hat man wirklich das Rauchverbot gelockert? Wie lief das denn mit den dicken Klamotten in den Kneipen, bzw. von -5°C bis um die 30°C??? Das stell ich mir wirklich schwierig vor. Und was hattet ihr an? Bin sehr neugierig und hatte am Donnerstag ganz schlimm Heimweh nach Köln – da ist nämlich der Karneval immer noch am schönsten !!! 🙂 pe

CARNAWOW!

Hier der zweite Teil Karneval und diesmal durchaus euphorischer als weiter unten zu lesen. Am Freitagabend, besser gesagt Freitagnacht haben wir uns Gewinner des diesjährigen Karnevals im Sambodromo angesehen. Das war wirklich toll! Die Kostüme, die Wagen, die Tänzerinnen und Tänzer  … Wahnsinn!

Das Procedere läuft so: Jede Sambaschule studiert eine 65 minütige Parade entlang der 500m langen Strecke ein – besonders heftig, weil bis zu 6.000 Personen mitspielen und choreografiert werden möchten! In dieser Zeit präsentiert sich die Schule der Jury und wird nach 9 Kriterien bewertet, unter anderem: Idee, Bateria – also der Rythmus, Handlung, Phantasie, Harmonie usw. Insgesamt können in allen Kategorien 10 Punkte erreicht werden. Die Gewinner landen in der ersten Liga, die Verlierer rutschen in die Zweite ab und haben es im folgenden Jahr etwas schwerer, an Sponsorengelder zu kommen.

Der Aufbau einer Parade ist fast immer gleich: vorab Phantasiefiguren, die teilweise akrobatische Leistungen vorführen, dann die ersten Tanzgruppen, angeführt von einem Paar in Kostümen der Kolonialzeit, dann die ersten Wagen, bestückt mit Tänzerinnen, Tänzern und sehr gerne A,B,C-Promis, die im knappen Outfit als Königin ganz oben auf den Podesten stehen und für Promotion sorgen. Dann wieder Fußgruppen, Wagen, Fußgruppen usw. Zum Schluß kommt die Bateria mit den „Passistas“ – das sind DIE Tänzerinnen der Sambaschule, die besonders schön sind und besonders gut mit dem Popo wackeln können, siehe Film.

Jedes Jahr sucht sich die Schule ein neues Motto und es ist wirklich beeindruckend, wie phantasievoll das inszeniert wird. Zum Beispiel hatte eine Schule das Thema Wasser – das ging von der Tiefsee über ein Korallenriff bis zum Wellenreiter – von Süd- zum Nordpol und das mit allen Farben, die im und am Wasser zu finden sind. Wunderschön!

Eine andere Schule, die „Gaviões da Fiel“ (treue Falken), fest verbunden mit dem Fußballclub „Corinthians Paulista“ hatte das Thema „Corinthians … minha vida, minha história, meu amor!“ („Corinthians … mein Leben, meine Geschichte, meine Liebe!“) – entsprechend ging es ausschließlich um Falken, Fußball und der Anteil der sexy Tänzerinnen war meines Erachtens besonders hoch 😉

Etwas anstrengend ist allerdings auf Dauer die Musik für ungeübte Ohren, denn jede Schule hat nur einen Song, der 65 Minuten lang gespielt und gesungen wird. Da ist man dann doch etwas froh, wenn die Schule durch ist und ein Moment der Ruhe entsteht, bevor die Nächste mit dem nächtsen Song kommt. Hier die bateria extra für Thorsten 🙂

Die Pradaden in den Sambadromos lohnen sich wirklich, ich glaube, phantasievoller, prachtvoller und schöner geht es nicht! Dagegen können die Rosenmontagszüge einpacken! Aber ich bleibe dabei: das Karnevalfeiern in Kölner Kneipen ist mit nichts zu toppen! 🙂 pe

SOULSAMPA

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April, jetzt gehts los mit den StreetArt-Touren. Morgen ist die Erste mit einem Kollegen von Jo, diese läuft als Test und ich bin gespannt, ob mich Marc-André auseinandernimmt? 😉

Das Ganze wird durch SoulSampa realisiert, die sich vorgenommen haben, die Liebe zu ihrer Stadt, den spannenden Orten und sehenswerten Dingen mit allen Anderen zu teilen – daher Name und Programm, Stadtführungen in kleinen Gruppen zu veranstalten.

IMG_1729Meine Aufgabe ist, wie schon beschrieben, der deutschsprachige Part und ich habe zu Anfang eine Führung durch Vila Madalena und Pinheiros. Dabei geht es hauptsächlich um StreetArt, aber auch um nachhaltige Einrichtungen wie zum Beispiel die Schule Escola do Aprendiz, nachhaltige Architektur und jede Menge Shops und Botecos. Wenn das gut läuft, wird ausgeweitet – insgesamt gibt es etwa 7 Themenschwerpunkte, also viel zu tun. 😉

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Arte da Vila. An diesem Wochenende vor zwei Wochen hatten alle Galerien in Vila Madalena geöffnet und es gab zig Veranstaltungen drumherum, so auch eine StreetArtTour von SoulSampa, die Ya!, selber StreetArt-Künstlerin und ein wandelndes Lexikon in Sachen Graffiti, geleitet hat. Ya! erzählt über Paulo ITO, einen Graffitikünstler, der nur Frauen malt, Leandro von SoulSampa spricht über die Tour und’s Peti ist auch dabei. 😉 pe

VILA GOMES

StreetArt an den Wänden zu betrachten, ist eine feine Sache. StreetArt-Künstlern beim Enstehen ihrer Gemälde zuzuschauen, noch feiner. Ganz fein ist, wenn eine komplette Gasse zur Bemalung freigegeben ist und die Bewohner mit den Künstlern ein(e) Art Straßenfest feiern. So geschehen vorletzten Sonntag in Vila Gomes.

Da wurden Tische und Klappstühle vor die Tür gestellt, Bier drauf … leider gibts hier keine Pittermännchen 😉 und das Treiben kommentiert. Kinder dazwischen, die zu den neu entstandenen Gesichtern an den Wänden Geschichten erfunden haben und das in ihr Spiel eingebaut haben. Ganz süß war eine Horde pubertierender Jungs, die sich hinter einer Künstlerin versammelt und schwer interessiert zugesehen haben, wie auf der Wand langsam die Figur einer nackten Frau entstand 😉

Der Künstler „Prozak“ hat mal gesagt: „Das Beste ist, dass du den Kontakt zwischen Menschen und ihrer Stadt herstellst, während du malst. Ohne Graffiti wäre diese Interaktion niemals möglich.“ Dem kann ich nur zustimmen – nicht nur die Menschen, die dort wohnen bekommen einen anderen Blick für ihre Gasse, auch ziehen die Graffitis Besucher an. Dies kann dazu führen, dass ein Viertel eine Aufwertung erfährt und das wiederum kann allen nur helfen.

In São Paulo gibt es eine ganze Reihe solcher Aktionen – die bekannteste ist die Beco do Batman – benannt nach Batman’s Gotham City. Vor 15 Jahren war das noch eine ziemlich verrufene Gegend in Vila Madalena, dort lebten viele Obdachlose und eigentlich wollte keiner die Gasse freiwillig betreten. Dank einer Kooperation der Stadtverwaltung mit einigen Graffiti-Künstlern, die die Gasse komplett bemalt haben, hat sich das nun nachhaltig gewandelt und sie ist das Aushängeschild, wenn es um Graffiti in São Paulo geht (hab im Herbst schon mal davon erzählt). Nicht zuletzt, weil aus den damals mehr oder minder bekannten Künstlern heute wahre Größen der StreetArt geworden sind. pe

SPFC

regen

Oder São Paulo Futebol Clube. Über Fußball möchte ich an dieser Stelle aber gar nicht reden – das kann Jo viel besser – mir geht es um die brasilianische Baukunst, die ich ja schon einige Male gelobt habe.

Neulich allerdings, als wir uns ein Spiel des SPFC im Heimstadion angesehen haben, war davon nicht viel zu merken. In der zweiten Halbzeit ging ein prächtiges Gewitter los, das zu Spielunterbrechung und plötzlicher Leerung der unüberdachten Oberränge führte. Glücklicherweise waren die Unterränge nicht besetzt, denn sonst hätten die Fans ganz vorne sicher eine kalte Dusche bekommen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Wassermassen, die sich auf dem Gebäude angesammelt haben, wurden nicht etwa elegant nach außen abgeleitet, sondern landeten über säuberlich verteilte Ausgüsse mitten im Stadion, kurz vor dem Unterrang. Da hat sich jemand mal richtig Gedanken gemacht 🙂 pe

HEITOR VILLA-LOBOS

Sollte man schon einmal gehört haben, hab ich gehört 😉 … ich als Klassikbanausin kannte ihn nicht, den größten brasilianischen Klassik-Komponisten. Als dann – Besserung gelobt und ins Konzert marschiert. Entre nous: eher, weil das im Auditório stattfand, wo ich doch schon immer mal reinwollte.

Ja, das Konzert war toll! Das städtische Sinfonie-Orchester hat gespielt, mit alle Mann, weil diese Musik ziemlich viel Bumms braucht. Auch toll, wie der Komponist das Brasilien-Gefühl transportiert, den Regenwald, das Gezirpe der Vögel dort usw. Das passende Stück dazu nennt sich Uirapuru – da sagst ja schon allein der Name, was man zu erwarten hat.

Würde er heute die natürlichen Laute Brasiliens in Töne formen, hätte er warscheinlich eher ein Hundegebell-Konzert vertont mit dem Namen: Wauhuhuhuhhhwuff. Ich mag Hunde! Aber ich mag sie nicht, wenn sie im Chor, der eine rechts, der andere vorne, drei weiter links unten alles kommentieren, was über die Straße läuft oder fährt – morgens, mittags, abends, nachts, immer! Aber das nur am Rande.

Das Auditório von innen – hach was soll ich sagen: GEIL! Man hat wirklich das Gefühl, in ein riesen Maul hineinzuspazieren – vorne Niemeyers Zunge, innen Tomie Ohtakes Gaumen. Dann über die geschwungene Speiseröhre ins Innere – den Konzertsaal oder Magen, wo die Geräusche dann letzlich produziert werden – den Darm-Gedanken hatte ich da jetzt nicht ;-). Guckt die Bilder! pe