LEGO BAUEN

Derzeit findet in São Paulo die Architekturbiennale unter dem Motto „Architektur für alle“ statt. Und wie könnte man „ALLE“ besser glücklich machen, als eine große Holzplatte auf Böcke zu stellen und ca. 1 Mio. Legosteinchen darauf auszukippen mit der Bitte, auf dem Gelände eine Stadt zu errichten.

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Dem sind wir auch gerne gefolgt und habe fast 2 Stunden lang Legotürmchen zusammengepuzzelt. Jo hat sich für einen Nachbau des Sambodromo entschieden, um dem Brasilianer ein wirklich wichtiges Stück Kulturgut in die Stadt zu setzten, welches dann aber in einem späterem Bauabschnitt zu einer Kathedrale umgemodelt wurde, was mir inhaltlich besonders gefiel! Leider war es nicht der Kölner Dom – das ist uns zu spät eingefallen. Ich wollte was Hohes Rundes und Größenwahnsinniges, aber leider gingen irgendwann die grauen Klötzchen und die Lust aus – daher nicht ganz so wahnsinnig hoch.

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Spaß hat das gemacht – mehr Spaß als die eigentlichen Exponate der Biennale anzuschauen. Diese werden relativ müde auf einigen Stellwänden und per Touchscreen präsentiert, obwohl die Projekte an sich spannend sind. Zum Beispiel gibt es einen Bericht über die Anstrengungen der Stadt, die Favelas zu reurbanisieren und den Menschen vernünftigen, bezahlbaren und praktikablen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, aber gleichzeitig im Kontext der bisherigen Optik zu bleiben – also bunt und kleinteilig, wie es die Hütten bisher waren. Vielleicht soll die lustige und bunte Farbe über den eigentlichen Zustand hinwegtäuschen, denn was dabei herauskommt ist ziemlich fragwürdig und teilweise schon in São Paulos Randgebieten zu beobachten.

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Dann gibt es dieses Jahr einen Schwerpunkt Städteplanung und -Bau, wo zum Beispiel neben norwegischer, italienischer oder holländischer auch die deutsche Architektur mit dem Thema „Baukultur“ beleuchtet wird. Letzteres allerdings in einem anderen Gebäude und in einem anderen Stadtteil und ich glaube kaum, dass „ALLE“ den Weg dorthin finden, zumal es leider keinen Shuttlebus oder ähnliches  gibt. Wir haben uns das auch für einen anderen Tag vorgenommen.

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Last but not least lohnt sich ein Besuch der Biennale wegen des Gebäudes, indem sie untergebracht ist. Es wurde, analog der Bauweise der indigenen brasilianischen Rundhütten, „OCA“ genannt und gebaut hat es – wie könnte es anders sein – der Herr Niemeyer. Es befindet sich im Ibirapuera-Park nur einen Steinwurf vom eigentlichen Biennale-Gebäude entfernt. Von außen wirkt die OCA-Halbkugel ziemlich klein, aber innen befinden sich 4 Ebenen, die durch geschwungene Rampen verbunden sind. Es gibt keine Räume, alles ist offen und die Fläche ist frei gestaltbar, weswegen das Gebäude fast ausschließlich für Events etc. genutzt wird.

Die Biennale läuft noch bis zum 4ten Dezember und vielleicht müssen wir da nochmal hin, um doch noch einen kleinen Dom aufzustellen 😉 pe

DAS AUGE

Gabs da nicht auch mal einen Film mit einem bösen Menschen im Helikopter? Hmmmmm? Wie auch immer, über dieses Auge möchte ich gar nichts schreiben, sondern viel lieber über das Gebäude des Herrn Niemeyer in Curitiba.

2002 hat er es mit 95 Jahren fertigestellt, nachdem schon in den 60ern die Planung begonnen hat. Typisch Brasilianer! Es ist DIE architektonische Referenz der Stadt. Im Inneren finden, neben der Ausstellung von Niemeyer-Zeichnungen und Modellen, wechselnde Veranstaltungen der modernen Kunst statt. Aber wie im Ufo in Niteroi hat es die Kunst angesichts der faszinierenden Architektur etwas schwer.

Der Komplex besteht aus zwei Teilen – dem Auge selbst mit geschwungenem Aufgang, der aber kein Eingang ist, wie man vermuten dürfte. Übrigens auch kein Ausgang. Ein bißchen doof, denn wirklich jeder, der zum ersten Mal das Museum sieht, geht rauf, wird von einem Doorman abgewiesen, geht wieder runter und begibt sich in den zweiten Teil, dem hinteren langen Riegel aud Beton und Glas..

Dort ist der eigentliche Eingang. Aber auch hier ist der Weg kompliziert: Erst nach rechts, Ticket kaufen. Fragen, wo man jetzt hinsoll. Arbeitskräfte sind in Brasilien billig – daher stehen auch genug Menschen in Uniformen herum, die man fragen kann. Dann nach links, durch eine Schleuse, in der alle Sachen gefilzt werden zu einem Tresen, an dem Taschen und sonstige Dinge abgegeben werden sollen.

Dann weiter, über eine Treppe ins Untergeschoß. Dort ist die Niemeyer-Ausstellung untergebracht. Schon toll, all die Modelle und Skizzen zu sehen. Nebendran in einem Freiluft-Innenhof befinden sich Skulpturen diverser brasilianischer Künstler. Das strahlende Weiß der Außenwände tut in den Augen fast weh, aber bietet einen tollen Hintergrund für die dortige Kunst.

Über einen unterirdischen und extrem abgefahren Durchgang im Space-Look gehts dann unter das Auge und dort mit dem Fahrstuhl hoch und mitten rein. Eigentlich hatte ich gehofft, durch die Bienenwabenglaswand einen tollen Blick nach draußen zu haben – aber nix da. Alles war abgedunkelt – vielleicht um der dortigen Ausstellung über die brasilianische Moderne etwas mehr Raum zu geben.

Wenn das alles gesehen ist, entweder per Aufzug oder über die Treppen wieder runter. Dort hat jede Etage einen kleinen Raum, ebenfalls für die Kunst reserviert. Zurück durch Durchgang, Ausstellung, Treppe und raus.

So cool das Auge ja ist, so seltsam ist die Besucherführung. Die Niemeyer-Gebäude, die wir bisher besichtigt haben, waren immer sehr klar – dieses hier nicht. Aber trotzdem – sehr sehenswert! pe

AUDITÓRIO IBIRAPUERA

Könnt ihr euch noch an das weiße, dreieckige Gebäude mit der roten Zunge  im Ibiapueira-Park erinneren. Das ist, wie ich nun weiß, das Auditório Ibirapuera – fürnehmlich für Konzerte oder ähnliche Veranstaltungen. Das Praktische an dem Gebäude ist, dass man es Indoor sowie Outdoor nutzen kann. Outdoor, indem einfach das große, rote Tor auf der Rückseite aufgeschoben wird und die Künstler aus dem Haus heraus in den Park aufspielen. Tolle Sache – toller Occar Niemeyer!

Gestern Abend haben wir dort beim Dunkelwerden Hermeto Pascoal und das Hamilton de Holanda Quinteto gehört (Experimental Brazilian Jazz – sehr sahnig – gibts bei Amazon). Ganz entspannt im Sitzen auf der Wiese mit ’ner Dose vor-Ort-Kaufbier in der Hand. Der Vertrieb läuft da übrigens genauso wie bei uns – ebenso das Wiedereinsammeln der Dosen.

Ach das war sehr schön und in unserem derzeitigen Organisations-und Abwartwahnsinn eine echt Bereicherung! Anbei ein paar Bilder, die glaube ich, ganz ordentlich die Stimmung einfangen. pe

NITERÓI CONTEMPORARY ART MUSEUM

Vielleicht sollte ich in diesem Blog eine neue Kategorie für den Herrn Niemeyer eröffnen??? YEP! Jedenfalls bleibt euch nun auch nicht ein Blick auf das nächste tolle Bauwerk dieses Mannes erspart ;-): Auf das 1996 fertiggestellte Ufo – Landeplatz in Niterói – also gegenüberliegende Bucht von Rio.

In diesem Gebäude befindet sich das Museum of Contemporary Art. Die Kunst, die in diesem Museum ausgestellt wird, hat leider ein riesen Problem, denn sie muß mit der Architektur konkurrieren. Daher kann ich euch nur sagen, dass wir auch eine Fotodokumentation über die Architektur in Le Havre gesehen haben – hat sich gelohnt – an die anderen Exponate kann ich mich nicht mehr erinnern. Hmmm….?

Viel spannender ist es, sich einfach im Gebäude zu bewegen und die Architektur wirken zu lassen. Durch die Anordnung der Fenster und der dadurch gewonnenen Ausblicke, wird die Natur und die Küste um Niterói bis nach Rio, selbst zum Ausstellungsgegenstand. Die Beleuchtung verleiht dem Innenraum etwas futuristisches und immer wieder gibt es neue Blickwinkel auf Rundungen, Treppen, eingezogene Wände und Durchlässe, die in sich selbst abstrakte Kunst sein könnten.

Was soll ich noch schreiben – schaut selbst. pe

BRASILIA

Regierungssitz Brasiliens, 2 Mio Einwohner, davon 10% Beamte und Angestellte – die Stadt mit dem höchsten Pro-Kopf Einkommen Brasiliens. Einerseits. Eine in Beton gegossene Stadtvision, die einzige futuristisch anmutende Hauptstadt der Erde, Weltkulturerbe der UNESCO und Lebenswerk Oscar Niemeyers. Andererseits.

Zweiteres war unser Grund, die Ostertage dort zu verbringen. Natürlich nicht in irgendeinem Hotel, sondern in einem Gebäude, das auch von Niemeyer geplant wurde und heute noch den Charme der 60er hat.

Ende der 50er Jahre gab der damalige Präsident Juscelino Kubitschek den Startschuß, den Regierungssitz Brasiliens weg von Rio de Janeiro hin zu einer neu zu schaffenden Hauptstadt zu legen. Der Plan dafür war schon lange vorgesehen, auch stand der Name Brasilia bereits fest. Gefunden wurde eine Region in der Mitte Brasiliens, die perfekt für das Vorhaben war: Hochplateau, klimatisch gute Bedingungen und eben eine riesiges, freistehendes Areal von 5814 qkm.

Die Stadtplanung und Architektur wurde ausgeschreiben, den Zuschlag bekamen Lúcio Costa als Planer, Oscar Niemeyer als Architekt und Roberto Burle Marx als Landschaftsplaner – also das Dreigestirn brasilianischer Baukunst. Gemeinsam entwickelten sie den Plano Piloto, der sich wie folgt darstellt:

Von oben hat die Stadt einen Grundriß wie ein Flugzeug, das an einem See zum Halten gekommen ist – kurz vor dem Präsidentenpalast, der direkt am See liegt. Die Zentralachse, der Eixo Monumental entspricht dem Rumpf und ist ungefähr zwei Sportplätze breit und 6 km lang. Ganz vorn (quasi im Cockpit) befinden sich die Regierungsgebäude – im Mittelpunkt der Nationalkongreß, von dort aus der Blick auf die drei Säulen des Staates: Judikative, Legislative und Exekutive – jeweils in einem freistehenden Gebäude untergebracht. Der gesamte Komplex ist durch offene Blickachsen verbunden.

Dann dem Rumpf entlang (Passagierkabine) die Ministerien – alle hintereinander aufgereiht. Am Schnittpunkt zu den beiden Tragflächen, dem Eixo Rodovário, die Gebäude für die Öffentlichkeit wie Catedral Metropolitana, Nationalbilbliothek und Theater. Die „Tragflächen“ sind für Wohngebäude, Einkaufszentren, Restaurants etc. Im hinteren Teil Sportstätten, der zentrale Park und die Gedenkstätte für Kubitschek, ganz hinten der Militärbezirk.

In Brasilia gibt es keine Straßennamen, sondern Blocos, wie zum Beispiel SCN Q 02 – Sector Comercial Norte, Quadra 02. Fußgänger waren und sind überhaupt nicht vorgesehen, die Stadt soll mit dem Auto befahren werden. Das haben wir als Fußgänger gemerkt 😉 Die Wege von A nach B sind irre weit – also Empfehlung: Leihwagen!

Die Stadt wirkt wie ein sozialistisches Manifest und erinnert an Trabantenstädte, die man aus dem Ostblock kennt – alles aus Beton, perfekt strukturiert und mit gewaltigen Freiflächen. Nur das Brasilia besser ist, was vor allem an der Architektur liegt. Wenn man sich vorstellt, dass alles in den 60ern entstanden ist und auch heute noch unschlagbar in Sachen Futurismus ist?

Sehr spooky ist der Militärbezirk mit der Avenida do Exército, einer 6spurigen Straße, die für Paraden während der Militärdiktatur genutzt wurde. Auch dort stehen zwei Niemeyer-Gebäude, ein Theater und eine muschelförmige, offene Konzerthalle. Wir waren fast die einzigen Besucher dort und fühlten uns ziemlich verloren in der Weite des Geländes und mit der Vorstellung, was dort vor 30 Jahren abgegangen sein muß.

Superschade war, dass einige Gebäude und Museen geschlossen waren – schluchz! Wir konnten leider nicht die Catedral Metropolitana besichtigen und eine Kerze dort anzünden, wie ich geschrieben habe, weil die DOOFEN Brasilianer nicht auf ihre Bauwerke achtgeben und jetzt kurz vor dem 50ten Geburtstag und der damit verbundenen Party am 21. April noch schnell alles renovieren müssen, damit’s dann hübsch aussieht! Heisst wohl, wir sollen nochmal wiederkommen 😉 pe

HEITOR VILLA-LOBOS

Sollte man schon einmal gehört haben, hab ich gehört 😉 … ich als Klassikbanausin kannte ihn nicht, den größten brasilianischen Klassik-Komponisten. Als dann – Besserung gelobt und ins Konzert marschiert. Entre nous: eher, weil das im Auditório stattfand, wo ich doch schon immer mal reinwollte.

Ja, das Konzert war toll! Das städtische Sinfonie-Orchester hat gespielt, mit alle Mann, weil diese Musik ziemlich viel Bumms braucht. Auch toll, wie der Komponist das Brasilien-Gefühl transportiert, den Regenwald, das Gezirpe der Vögel dort usw. Das passende Stück dazu nennt sich Uirapuru – da sagst ja schon allein der Name, was man zu erwarten hat.

Würde er heute die natürlichen Laute Brasiliens in Töne formen, hätte er warscheinlich eher ein Hundegebell-Konzert vertont mit dem Namen: Wauhuhuhuhhhwuff. Ich mag Hunde! Aber ich mag sie nicht, wenn sie im Chor, der eine rechts, der andere vorne, drei weiter links unten alles kommentieren, was über die Straße läuft oder fährt – morgens, mittags, abends, nachts, immer! Aber das nur am Rande.

Das Auditório von innen – hach was soll ich sagen: GEIL! Man hat wirklich das Gefühl, in ein riesen Maul hineinzuspazieren – vorne Niemeyers Zunge, innen Tomie Ohtakes Gaumen. Dann über die geschwungene Speiseröhre ins Innere – den Konzertsaal oder Magen, wo die Geräusche dann letzlich produziert werden – den Darm-Gedanken hatte ich da jetzt nicht ;-). Guckt die Bilder! pe